Warum erinnern, warum gedenken?

veröffentlicht von Friedrich C. Burschel

Erinnerung ist ein Kampf. Es ist ein entscheidender Kampf um die Deutung eines Ereignisses. Wenn es um die rassistischen Gewaltverbrechen in Deutschland geht, sind Erinnern und Gedenken auch eine Rückforderung, ein Eintreten wenigstens für die Achtung der Würde und Unversehrtheit der Getöteten, wenn dieser Kampf denn zu Lebzeiten schon verloren gegeben werden musste. Sie sind der Versuch, dieses Leben und diesen Tod zurückzufordern, anzuerkennen und aus den Klauen der Missachtung zu befreien.

Es gibt die einfache Leugnung und Verdrängung eines Geschehens, wie wir das in Guben erleben können, wo versucht wird, das Geschehen des 13. Februar 1999 durch die stoische Verdrehung der Tatsachen und des Opfer-Täter-Verhältnisses kleinzureden, um es anschließend schlicht vergessen zu können. Dagegen stemmen sich wenige.

Aber es gibt auch die Monstrosität der Verhöhnung derer, die von Nazis und Rassist_innen gehetzt, gedemütigt und ermordet wurden, oft durch die Täter_innen selbst oder ihr soziales und politisches Umfeld. So geschehen in dem entsetzlichen Bekenner-Video, das der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) hinterlassen hat und in dem er die zehn Mordopfer seines völkischen Rassismus höhnisch verspottet und einer widerlichen Schaulust bloßstellt.

Der Kölner Rechtsanwalt Reinhard Schön sagt über das Video, es konfrontiere „mit der Brutalität und Gemeinheit der Tötung selbst und dem anschließenden Triumphieren über die eigene Tat und die Verhöhnung der Opfer. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Tötungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Damit allerdings sind diese auf dem Video geschilderten Taten immer noch unzureichend beschrieben.“

Zu den Akten des Gedenkens gehört es angesichts dieser Bestialität, die Ermordeten zu würdigen, ihnen ihre Gesichter und ihre Namen zurückzugeben, sie den Höhnenden zu entwinden und den Getöteten ein ehrendes Gedenken zu widmen, die Lücke fühlbar zu machen, die sie für ihre Angehörigen hinterlassen haben, und dem gnadenlosen, beifällig-alltäglichen Rassismus, der hinter dem Geschehen steht, entgegenzutreten, ihn zu bekämpfen und anzuprangern. Egal, ob mit einem Gedenkstein, einer Straßenumbenennung, einem flammenden Artikel, vor Gericht, im Theater oder bei einer Mahnwache, durch das wütende Brüllen der Namen oder das halsstarrige Hochhalten ihrer Bilder.

 

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