Warum gedenken?

veröffentlicht von Max Krumm

Warum an einen rassistisch motivierten Übergriff erinnern, an dessen Ende ein Mensch sein Leben verlor? All diejenigen, die auch nur einen kleinen Funken Humanismus in sich tragen, werden nicht lange überlegen müssen, um Antworten zu finden. Motive, wieso das Erinnern und das Aufzeigen menschenverachtender Praxen notwendig sind, gibt es zu Genüge. Das ist zum einen die Tat an sich, deren Rohheit nur schwer mit Worten gerecht zu werden ist. Zum anderen sind die Reaktionen auf die Tat, die öffentliche Debatte über die Wertung und den Umgang mit eben dieser sowie die alltäglichen Verhältnisse Anlass.

Rassistische Übergriffe sind Bestandteil des deutschen Alltags. Ihre Wahrnehmung, ob medial oder im Bewusstsein der Menschen, reicht jedoch oftmals nicht über ein Strohfeuer hinaus. Abläufe werden förmlich zu Routinen: Am Anfang steht das Anfechten und Leugnen rassistischer Motive und Realität. Dies wird meist so lang versucht, bis die Fassade so stark bröckelt, dass eine Aufrechterhaltung nicht mehr möglich ist. Es folgt mit etwas Glück ein kurzer Aufschrei, die Empörung über die Tat und Beschämung darüber, dass so etwas „hier“, „bei uns“ möglich sei. Vor allem letzteres bleibt, hilft es doch, sich und seine unmittelbare Umwelt von etwaigen „Bösen“ abzugrenzen. Dann kommt die Ruhe und das Schweigen, wenn es um den Umgang mit den Opfern und die Anerkennung der Realität geht. Am Ende steht der fast schon notorische Zwang des Verdrängens und Vergessens. Dieses einfache Schema ist leider zu oft zu beobachten. Ob Medien, Sicherheitsbehörden, Justiz, Kommunen/Land/Staat – die Opfer, ihre Angehörigen oder gar Hinterbliebenen haben häufig einen sehr ähnlichen Kampf mit ihnen auszutragen. Dieser Zustand, die deutsche Mehrheitsgesellschaft, ist Ursache und Erklärung zugleich für die Notwendigkeit des Gedenkens.

Bedarf eine Erinnerung und Mahnung an menschverachtende Exzesse einer Rechtfertigung? Allein, dass wir uns diese Frage noch stellen müssen, belegt die Unerlässlichkeit des Gedenkens.

 

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