RE:GUBEN » Interview http://www.re-guben.de fragt nach den Folgen des Todes Farid Guendouls, der am 13. Februar 1999 auf der Flucht vor einer Gruppe Neonazis in Guben starb. Was geschah in jener Nacht? Wie wurde mit der Tat umgegangen? Wie kann Gedenken gestaltet werden? Wie reagieren Politik und Gesellschaft? Fri, 02 May 2014 16:27:31 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.8 „Blühende Landschaften“ – Neonazi-Gewalt in Brandenburg 1989-1993 http://www.re-guben.de/?p=757 http://www.re-guben.de/?p=757#comments Tue, 11 Feb 2014 22:36:12 +0000 http://www.re-guben.de/?p=757 Wie war das – Anfang des 1990er Jahrzehnts in Ostdeutschland? Ein Staat brach zusammen und es taten sich für ein paar Monate unendliche Möglichkeiten auf. Die Reste des Staats wurden übernommen und es brach noch mehr zusammen: wirtschaftliche und soziale Strukturen, Existenzen. Deutschland wurde Fußballweltmeister und die D-Mark das gängige Zahlungsmittel. Und in all dem explodierte die Gewalt. Jeder Schlägertyp schor sich die Haare und kaufte sich eine grüne Bomberjacke. Das Deutschland auf ihren Aufnähern hatte die Grenzen von 1938. Westdeutsche Neonazis tingelten durchs Land und leisteten Aufbauarbeit. Ihre ostdeutschen Kameraden standen ihnen in nichts nach: „Deutschland, Deutschland!“ Politik, Polizei, Sozialarbeit und Medien versagten weitgehend. Vielmehr wurde die Einschränkung des Asylrechts Regierungsprogramm.

Als Orte, an denen Mobs aus Neonazis und „normalen“ Deutschen tagelang militant gegen Ausländer vorgingen, blieben Hoyerswerda 1991 und Rostock-Lichtenhagen 1992 in der Erinnerung haften. An ihnen wird heute die Situation Anfang der 1990er festgemacht. Aber was geschah abseits der Symbole? Wie war es in Guben? Dort schlossen sich Neonazis in der „Gubener Heimatfront“ zusammen, die bis zu 200 Leute mobilisieren konnte und berüchtigt für ihre Gewalttätigkeit war. Erinnert sich jemand an die Angriffe auf die sogenannten und nicht mehr benötigten „Vertragsarbeiter“? Und wie war das mit den Angriffen auf Asylbewerberheime in Cottbus, Lübbenau oder Schwarze Pumpe? Wer kann sich daran erinnern und wer will sich erinnern? Und was hat das alles mit heute zu tun?

Im Demokratischen JugendFORUM Brandenburg (DJB) – übrigens auch der Trägerverein von RE:GUBEN – hat sich eine Projektgruppe zusammengefunden, die solchen Fragen nachgeht. Mit umfangreichen Zeitungsrecherchen und Zeitzeugeninterviews hat sie begonnen, die Situation im Land Brandenburg zwischen 1989 und 1993 zu rekonstruieren. Eine Analyse und einen Teil der Dokumente macht der Verein nun in seinem Blog Blühende Landschaften online zugänglich. RE:GUBEN sprach darüber mit Daniela Guse und Susanne Lang vom DJB.

Was kann man online von euerm Projekt sehen?

DG: Grundsätzlich kann man sagen, dass wir Material zusammentragen. Wir haben in den vergangenen Monaten Interviews mit Zeitzeugen geführt, die die Entwicklung in Brandenburg Anfang der 90er miterlebt haben. Unser Ansatz war, etwas über Neonazi-Gewalt und rassistische Pogrome in der Zeit herauszufinden. Dazu haben wir Leute befragt, mit denen wir eine gemeinsame Sprache finden konnten. Diese Interviews machen wir zugänglich. Dazu haben wir einen Text erarbeitet, der verdeutlicht, wie die Situation von den Leuten wahrgenommen wird. Der Titel „Warnschüsse wären in diesem Fall gerechtfertigt gewesen“ ist aus einem Interview mit Frau Leichsenring, damals Polizeipräsidentin in Eberswalde, die darin über den Tod von Amadeu Antonio nachdenkt, wie die Situation in der Polizei und in der Stadt war, wie es dazu kommen konnte. Wir haben versucht, mit allen möglichen Akteuren zu reden, die im weitesten Sinn damit zu tun hatten, entweder auf so einer Ebene wie Frau Leichsenring oder dass sie betroffen waren oder aktiv wurden.

SL: Wir haben die Interviews ausgewertet und versucht, daraus Schlüsse zu ziehen. Die einzelnen Interviews sind darüber hinaus aber sehr reichhaltig und bieten Einblicke in die jeweilige Wahrnehmung der Zeit. Gerade aus den Anekdoten kann man die damalige Stimmung ablesen. Das ist viel umfangreicher als das, was wir in unserer Analyse zusammengestellt haben. Deshalb finden wir es wichtig, dass man die Original-Interviews einsehen kann.

DG: Noch nicht online ist unsere Zeitungsrecherche. Wir haben für den Zeitraum 1989 bis 1991, teilweise noch bis in das Jahr 1992 hinein, vier Zeitungen ausgewertet, die Märkische Volksstimme und den Neuen Tag und dann deren Nachfolger Märkische Allgemeine und Märkische Oderzeitung.

SL: Für das Erscheinungsgebiet dieser Zeitungen, also Nord-, West- und Ost-Brandenburg, haben wir nach allem gesucht, was zum Thema Pogrome, rassistische Stimmungen oder Bewertung von Neonazis, Neonazi-Organisierung erschienen war. Wir haben die Microfiche-Ausgaben der Zeitungen durchgesehen, die Artikel verschlagwortet und exzerpiert. Perspektivisch wollen wir auch dieses Archiv zugänglich machen. Dafür sind aber noch ein paar technische und rechtliche Fragen zu klären.

Wie seid ihr denn zu so einem Geschichts-Projekt gekommen?

SL: Inspiriert haben uns die Leute aus Hoyerswerda von pogrom91. Sie waren gewissermaßen Ideengeber. Zu dem Zeitpunkt, als wir mit dem Projekt begonnen haben, fing die NPD-Kampagne mit Demonstrationen vor Asylbewerberheimen oder möglichen Asylbewerberheimen an, in Mecklenburg-Vorpommern, letztes Jahr auch in Brandenburg oder in Hellersdorf. Wir haben uns gefragt, was die Ausgangsbedingungen für eine Resonanz in der Bevölkerung sind, was zum Beispiel eine ausländerfeindliche Stimmung ermöglicht.

DG: Wir haben auch festgestellt, dass ein Teil von uns wenig über die Zeit Anfang der 90er weiß, weil er zu jung dafür ist. Andere konnten sich nach der Zeit nicht mehr an alles genau erinnern. Das überlagert sich. Deshalb war es für uns interessant, sich die Ereignisse zu vergegenwärtigen, einerseits durch die Interviews mit Zeitzeugen und andererseits durch die Zeitungsrecherchen.

SL: Am Anfang dachten wir noch so: Wir machen ein paar Interviews und können dann sagen, wie es „wirklich“ war. Davon sind wir sehr schnell weggekommen, weil wir gemerkt haben, dass wir überhaupt erstmal anfangen müssen, die Situation damals zu begreifen. Und das heißt nicht, dass wir als Gruppe das verstehen, sondern dass es eine gesellschaftliche Auseinandersetzung darüber geben müsste. Die hat es noch nie gegeben. Bei den Gesprächen hatten wir das Gefühl, die 20 Jahre sind gerade genug zeitlicher Abstand, um wenigstens anzufangen nachzudenken. Damals gingen die Veränderungen so schnell und waren so existenziell, dass man keine Möglichkeiten hatte, darüber zu reflektieren. Jetzt kann man anfangen über die 90er Jahre zu reden und auch persönlich zu überlegen, warum habe ich mich so verhalten, was waren meine Einflüsse… Gleichzeitig haben wir gemerkt, dass viel verschütt ist, weil die Ereignisse 1989/90 und danach in einem unglaublichen Tempo abliefen. Man muss sich vorstellen, in welcher Geschwindigkeit da der neue deutsche Staat geschaffen wurde.

Wir wollen mit dem Projekt eine Perspektive stärken, die aus unserer Sicht etwas untergeht. Man ist heute schnell dabei zu sagen, dass es in den 90ern schlimm war, aber inzwischen alles viel besser ist. Das ist auch ein logischer Schluss – die Arbeit der Zivilgesellschaft in den letzten 20 Jahren muss ja irgendwas gebracht haben. Aber das wollen wir hinterfragen: Wie war denn die Situation damals? Kann man von besser und schlechter sprechen? Was sind die Veränderungen? Wir finden es dabei gar nicht so wichtig, was wir uns denken. Interessanter wäre, wenn mehr Leute darüber nachdenken, was für eine Zeit das war, wie die Situation zustande kam, was die Bedingungen waren.

Ihr habt euch aber natürlich auch selber Gedanken gemacht. Wie ist denn eure Einschätzung? Gibt es eine Antwort auf die Frage, wie das alles zustande kam?

SL: Ich möchte darauf erstmal gar keine Antwort geben, weil die wesentliche Erkenntnis aus dem Projekt für uns ist, dass wir zum einen einen breiten Diskurs und zum anderen einen offenen Diskurs brauchen. Wir, das heißt nicht nur wir als Gruppe, sondern Leute, die die Zeit erlebt haben, fangen gerade noch einmal damit an, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Daneben haben wir aber auch schon seit Jahren Spezialdiskurse von Sozialwissenschaftlern, Journalisten oder linken Aktivisten, die alle ihre These und ihr Erklärungsmodell haben, die DDR, die Töpfchen im Kindergarten oder Deutschland an sich. Jede These ist für sich so besprochen, durchgekämpft und verteidigt, als wäre sie die einzig richtige. Es ist auch eine sehr emotional geführte Debatte.

Es gab und gibt darin auch einen Ost-West-Konflikt. Zugespitzt gesagt, da die Zivilgesellschafts- und Polit-Profis, die dem Osten Demokratie erklären, und dort spezifische Identitäten und die Erfahrung von Deligitimation. Ich glaube, viele Leute nehmen das als „Minenfeld“ wahr. Uns ist in den Interviews aufgefallen, dass die Leute, die anfangen, darüber zu reden, was passiert ist, sehr vorsichtig sind mit der Wiedergabe von Einschätzungen, Vermutungen, Gefühlen und Thesen, warum es dazu gekommen ist. Einerseits ist völlig klar: Wenn man über die Pogrome reden will, muss man auch über die wirtschaftlichen, sozialen, politischen Veränderungen und ihre Wirkungen reden, also über diese „Wendewirren“, die Brüche in allen Lebensbereichen mit ihren zum Teil brutalen Folgen. Andererseits ist nicht nur bei uns das Gefühl da, dass einem dann Vorwürfe gemacht würden, dass man die DDR verteidigen würde oder alles kleinredet oder Nazis in Schutz nimmt oder auch ein Rassist wäre oder oder. Da spielen jede Menge Reflexe, Vorurteile und Verteidigungshaltungen mit hinein.

Vielleicht klingt das hier auch etwas identitär. Aber für uns geht es um eine Auseinandersetzung, um eine offene Diskussion, darum sich zu emanzipieren und selbst einen Umgang zu finden. Natürlich kann an allen Thesen etwas dran sein. Natürlich hatte es etwas mit der DDR-Gesellschaft zu tun, dass es rassistische Gewalt war, aber genauso hatte es was mit der „Integrationssituation“ der DDR in die BRD zu tun. Uns geht es darum, zu verstehen und vielleicht eine weitere Debatte anzustoßen. Wir müssen anfangen, darüber zu reden, was damals passiert ist, nicht nur über die Pogrome, sondern über alles.

Daran hängen dann auch Fragen der eigenen politischen Sozialisation: Warum haben wir eine unabhängige, nicht hierarchische Struktur wie das DJB aufgebaut, warum sind wir nicht in einen großen Verband oder eine Partei eingetreten? Warum haben wir uns damals dafür entschieden, Jugendkulturarbeit zu machen? Was waren die Einflüsse, was waren die Referenzpunkte? Man lernt daraus auch für heute. Die Auseinandersetzungen, die vor uns liegen, um Neonazis und Demokratie zum Beispiel, brauchen das Verständnis davon, was damals passiert ist. Vielleicht kann man sich so auch von Perspektiven lösen, in die man so hineingewachsen ist.

Macht ihr das Projekt weiter?

DG: Wir haben schon überlegt, das Projekt auszubauen, zum Beispiel noch mehr Interviews zu führen. Die „Datenbasis“ ist natürlich noch erweiterbar. Ich glaube, dass es schon ein Schritt ist, überhaupt das Material zu sammeln und zur Verfügung zu stellen für alle, die sich damit beschäftigen wollen und darauf für ihre Fragestellungen zugreifen wollen. Es gibt die Option, daraus andere Projekte zu entwickeln. Derzeit diskutieren wir zum Beispiel, mehr Video-Interviews zu führen. Aus dem, was man in der Arbeit erfährt, können immer wieder neue Ideen entstehen. In den Interviews haben wir bemerkt und auch die Interviewten selbst festgestellt, dass sie noch gar nicht so viel über das Thema nachgedacht haben. Wenn man jetzt mit denselben Personen nochmal Interviews machen würde, würde man sicher noch weitere Antworten bekommen.

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„Die Nacht ist immer noch präsent“ http://www.re-guben.de/?p=699 http://www.re-guben.de/?p=699#comments Thu, 12 Dec 2013 21:28:28 +0000 http://www.re-guben.de/?p=699
Lukas A.* war seit Ende der 1980er Jahre in der Gubener Antifa aktiv.
Mittlerweile hat er die Stadt verlassen. Im Interview mit Friedrich Burschel spricht er über die Anfänge der Neonazi-Szene in Guben, den 13. Februar 1999 und das Gedenken an die Tat.

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* Name von der Redaktion geändert

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Aus dem Archiv: „Es sind eben die, die den Stress machen …“ – Teil 2 http://www.re-guben.de/?p=647 http://www.re-guben.de/?p=647#comments Sun, 25 Aug 2013 08:57:45 +0000 http://www.re-guben.de/?p=647 Nachdem es in Teil 1 des Interviews mit jugendlichen Skatern in Guben um ihren Alltag und ihren Umgang mit rechter Gewalt ging, dreht sich der folgende zweite Teil um die Reaktionen auf den Tod Farid Guendouls in der Zeit 1999/2000. Das Interview erschien zuerst im Buch Nur ein Toter mehr…

Wie war es, als letztes Jahr der Algerier Farid Guendoul starb? Konntet ihr mit euren Eltern darüber reden? Wie war es in der Schule, wie wurde damit umgegangen?

Matthias: In meiner Familie konnte ich darüber reden, mit meiner Mutter, die ist PDS-engagiert, mein Vater auch, da ging es so. Aber in der Schule wurde erst einmal drüber geschwiegen, da kam nichts von Seiten der Lehrer. Von den Schüler kamen ab und zu nur so dumme Sprüche: „… ist der doof, springt gegen die Scheibe.“ Unser LER-Lehrer hat dann das Thema angesprochen, nach Meinungen gefragt. Da ging es in der Klasse richtig rum: „Was hat der denn um diese Uhrzeit noch auf der Straße zu suchen … Springt da durch die Scheibe, warum klinkt er nicht und macht die Tür auf …“ Solche Sprüche kamen. Da war ich dann völlig allein in der Klasse. Danach haben es auch die anderen Lehrer einfach sein lassen, sogar die Politiklehrer sind nicht darauf eingegangen. Sie haben ihren Stoff durchgezogen, als ob nichts gewesen wäre. Das ist schon Kacke, weil die Lehrer meines Erachtens die Pflicht haben, wenn etwas aktuell ist, auch darauf einzugehen. Das ist ja nicht alltäglich, dass in Guben ein Asylbewerber zu Tode gehetzt wird, und dass dann gar kein Lehrer was macht, war schon erschreckend. Wenn der Grundtenor in den Klassen überall so ist wie in meiner, ist das schon ganz schön schlimm.

Thomas: Bei mir war es auch so: „Wie kann man nur so bescheuert sein und durch eine Scheibe springen … Der soll die Faschos ja auch dumm angemacht haben … Der ist doch selber dran schuld, er hätte doch die Tür aufmachen sollen …“ Das haben sie alle gesagt. Manche haben auch gesagt, wenn so etwas noch mal passieren würde, dann würden sie auch mitmachen.

Ali: Ich war zu der Zeit in den Vereinigten Arabischen Emiraten, da stand es sogar in den arabischen Zeitungen, mit Matthias’ Bruder auf dem Titelbild. Ein bisschen arabisch kann ich ja noch lesen. Und als ich das gelesen hatte, hab ich erst mal meinen Mund nicht zugekriegt. Guben? Da habe ich gezweifelt: Vielleicht habe ich falsch gelesen. Dann hab ich Verwandte gefragt, wie es heißt, und dann dachte ich: „Oh, der sieht ja Matthias irgendwie ein bisschen ähnlich, sieht aus wie Matthias’ Bruder.“ Und dann: „Das kann ja wohl nicht sein.“ Im Nachhinein hab ich dann erfahren, dass eine Demonstration war, eine spontane Demo. Und natürlich hat man sich dann auch ein bisschen stark gefühlt. Es war auch Gesprächsthema Nummer eins.

Matthias: Bei der Demo wurde das Auto von Matthias M. leicht beschädigt. Danach war der Grundtenor so: „Ihr seid doch alle doof und randaliert da noch, die armen Rechten …“ So auf die Art und Weise: „Die armen 15 Mann … Das waren ja gar nicht 15 und die sind ja nicht grölend durch die Straßen gefahren …“ Anstatt Mitleid mit dem Algerier zu haben, der zu Tode gekommen war, wurden die Täter zu den Opfern gemacht. Und wenn du dann mal versucht hast, mit den Leuten zu diskutieren, sind sie ausfallend geworden, haben rumgeschrien.

Ali: Noch dazu, wie ich mit meinen Eltern darüber reden konnte. Wir sind nicht-deutscher Herkunft und meine Eltern hatten erstmal ziemlich Angst um mich. Sie sind sowieso immer ein bisschen ängstlicher und wenn ich mit meinem „Links“-Gerede anfange, dann wird immer abgewehrt. Dann sind die Linken Chaoten und sollten doch nicht so viel randalieren. Sie sollten es doch machen wie die Rechten und friedlich demonstrieren. (Gelächter) Na gut, einerseits ist es auch verständlich … Nein, verständlich nicht, für mich nicht verständlich … Aber wenn der normale deutsche Bürger so Einheit, Einheitskleidung, Uniform, alle mit Glatze sieht …

Matthias: Bei uns an der Schule da ist einer, der ist ein Einser-Schüler, läuft in ordentlichen Klamotten rum, der trifft schon mal auf Zuneigung bei den Lehrern. Sogar meine Mutter sagt von dem: „Ja, der rennt immer schön ordentlich rum und ist gut in der Schule.« Zu den Prügel-Faschos sagen auch alle: „Nö, die wolln wir nicht.“ Aber wenn sie so ordentlich sind und schön deutsch, die gepflegten Faschos eben, dann … Der aber, mit seinem ordentlichen, gepflegten Outfit und den gestylten Haaren nach rechts, dem ordentlichen Polo-Shirt, gefällt dem Normalbürger. Kommst du aber mit weiten Hosen und rotem T-Shirt, auf dem was draufsteht, kannst du dir in der Schule ständig dumme Sprüche anhören: „Zieh dir die Hosen ordentlich hoch … Was heißt denn das da auf dem T-Shirt … Waren doch och bloß alles Kommunistenschweine …“

Thomas: Wenn ich bei alten Ornis oder Opis höre, wie die so über die Rechten reden, schauen die eher nicht so auf die Gewalttaten, die sagen: „Die wollen ja eigentlich gar nicht so was Schlechtes, die sind noch jung, die haben noch ihre Kraft, die sind eigentlich für unser Land, unser schönes Deutschland, das es so bleibt, so sauber bleibt …“

Robert: Bei uns in der Schule haben wir ziemlich viele Faschos, da sind wenige Linke. Die Lehrer haben auch nicht angesprochen, dass der Algerier gestorben ist. Und es kamen dann auch solche Sachen wie: „Warum klinkt der nicht erst mal … Selber schuld, wenn er da durch die Scheibe springt … Er hätte ja auch wegrennen können, sich verstecken …“ Teilweise wird jetzt noch so darüber geredet und sich über ihn lustig gemacht.

Andrea: Das ist bei mir in der Klasse genauso. Ein Typ geht immer ins Bitburger. Gegenüber ist die Gedenktafel und da stand letztens so ein kleiner Junge. Als der Typ raus kam, hat er den Jungen angemacht: „Heul doch!“, und nur so ‘ne Scheiße. Und zu mir kommt er dann immer mit „rote Sau“ und solchen Geschichten.

Matthias: Beim Aktionswochenende oder bei der Gedenksteineinweihung war diese „tolle“ Europaschule nicht vertreten, nur von Schülerseite her …

Andrea: Letztens, bei der neuen Gedenktafel, waren aber auch Lehrer von uns da.

Matthias: Aber beim Veranstaltungswochenende nicht. Gerade von der Europaschule, die immer darauf besteht, Kontakte ins Ausland zu haben und was zu tun gegen Rassismus, für Toleranz und so, waren kaum Leute vertreten, bis auf einen Lehrer bei der Gedenksteineinweihung.

Ali: Ich weiß von unserer Schule mit der berüchtigten Penne-Disco, dass es dort einige gibt, die bei der Musik ‘nen Adolf-Hitler-Tanz machen, also den Arm ausgestreckt halten und „Sieg Heil“ schreien. Wir haben den DJ daraufhin schon mal angesprochen und gefragt, ob er da nichts machen kann. Er sagte, nee, kann er wohl nicht. Unserer Direktorin habe ich von diesem Vorfall erzählt, hab gefragt, was sie denn davon hält und ob man das nicht irgendwie bekämpfen könnte oder irgendwas dagegen tun könnte. Vielleicht täusche ich mich auch, aber ich hatte eher das Gefühl, dass sie das nicht so interessiert. An den Schulen versucht man unter den Teppich zu kehren, dass man rechte Jugendliche hat. Es wird auch gar nicht ernst genommen, dass bei uns gezielt und von Leuten, die bekannt für ihre rechte Einstellung sind, rechtsextreme Musik verteilt, abgespielt, verkauft wird. Da wird nichts gesagt, auch wenn die CDs vor den Augen der Lehrer liegen. Aufnäher mit Schwarz-weiß-rot und irgendwelchen Kreuzen drauf, verbotene Aufnäher werden bei uns auch nicht beschlagnahmt.

Matthias: Das ist auch ein allgemeines Problem. Viele Lehrer denken: „Was soll ich mich jetzt mit dem Schüler heiß machen, dann bin ich der doofe Lehrer und dann bin ich bei allen Schülern durch.“ Die Lehrer wollen ihre Ruhe haben, Lieblingslehrer sein, mit keinem Stress haben. In meiner Jahrgangsstufe hat es in der neunten Klasse angefangen, dass Leute mit weißen Senkeln in ihren Schuhen und mit Bomberjacken aufgetreten sind. Die meisten mit Aufnähern „Deutschland in den Grenzen von 1938“. Kein Lehrer hat was dagegen gemacht. Meine Mutter hat mal die Klassenlehrerin angesprochen und die hat geantwortet: „Ach, was soll ich denn machen. Es ist doch nicht so schlimm.“ Das war dann die Reaktion darauf. Und das ist eben das Problem an den Schulen allgemein, die Lehrer haben einfach keinen Bock, sich damit auseinanderzusetzen. Da muss man wirklich ansetzen.

Clemens: Also ich hab an der Schule kein Problem. Ich hatte mit mehreren Lehrern darüber gesprochen, dass ich da gejagt wurde, und die haben mir zugehört und auch was unternommen. Jetzt kommen Leute von anderen Schulen einfach nicht mehr in die Disco rein, die müssen jetzt den Schülerausweis zeigen. Und meistens wissen die Leute, die da Einlass machen, auch, wer an der Schule ist und wer nicht.

Matthias: Na ja, die sind aber auch Rechte …

Clemens: Das ist doch Wurst, die tun mir nichts, ist mir dann egal, wenn die kommen. Jedenfalls hab ich dann mit Frau L., die ist auch PDS, und dem stellvertretenden Schuldirektor Herrn P. gesprochen. Die wollten wissen, was ich so mache, und haben dann auch gefragt, ob sie was dagegen unternehmen sollen. Das fand ich eigentlich ziemlich okay. Ich denke, über alle Lehrer kann man nicht sagen, dass sie sich nicht drum scheren. Wenn man zu denen was sagt und man einigermaßen gut mit ihnen klar kommt, dann probieren sie schon, was zu machen … Ein bisschen haben wir ja damit erreicht.

Robert: Bei uns an der Schule ist es nicht so extrem. Mittlerweile dürfen wir im Schulclub keine CDs mehr reinmachen, da die Nazis andauernd ihre CDs mitgebracht hatten. Bis der Direktor dann irgendwann mal gesagt hat, es darf gar keiner mehr CDs reinmachen. Sie konnten das nicht mehr überblicken, was für eine CD gerade drin ist. Jetzt haben zwar noch viele ihre Nazi-CDs mit, hören die aber mit Walkman.

Matthias: Die Rechten sind jetzt auch weggegangen von der Musik, die man sofort erkennt, so wie Kraftschlag und Störkraft. Einer an meiner Schule, der ist schon ein bisschen länger rechts, der hatte zum Beispiel auch so rechte Musik. Man hat aber nicht gleich gehört, dass es rechte Texte sind. Man hat eben gemerkt: völkische Musik, völkische Texte. Es ging nie gegen Ausländer, aber um die „schöne deutsche Heimat“, wie schön doch alles in Deutschland wäre … Ich denke, das ist jetzt ihr Niveau, sie haben gemerkt, dass sie mit ihrer aggressiven Musik nicht weiter kommen. So setzen sie jetzt mehr auf das, was man nicht auf den ersten Blick durchschaut. Anders als „Skinhead, Skinhead, Skinhead“, das erkennt ja wohl jeder.

Ali: Was mich tierisch belastet und ankotzt, ist, dass die Rechten gezielt versuchen, sich überall breit zu machen, zum Beispiel jetzt im Intervall. Ich weiß nicht, wie es im Budget ist, aber in der Fabrik seh ich jedes Mal, wenn Disco ist, dass die da hinkommen und mehr Kontakte mit den Intervallmitgliedern, die so rechts angehaucht sind, knüpfen, dass sie da immer präsenter sind. Die Rechten fassen da immer mehr Fuß. Früher haben sie gesagt: „Nee, da gehen wir nicht hin“, und jetzt wollen sie sogar mal ins Budget kommen.

Thomas: Vor zwei Jahren ungefähr hat das Budget integrierende Sozialarbeit gemacht. Die Sozialarbeiterin hat immer mal drei Faschos eingeladen und die kamen dann auch mal so ins Budget. Silvester haben sie dort Stress gemacht, Ronny P. und so. Dann ist das ganze Budget raus und da haben sie schon gemerkt, dass dort eben nicht der Jugendclub ist, wo sie sich hintrauen sollten. Aber in der Fabrik sehen sie, da sind nur Kinder, die machen eh nicht viel. Da können sie sich dann breitmachen. Da gibt es auch einige, die hängen auch mit vielen Faschos rum. Einige von denen konnten dann da als Einlasser das Geld kassieren. Da waren dann auch Jan H. und Maik N. in der Fabrik und haben rumgelabert.

Ali: Vielleicht sollten wir mal versuchen, uns irgendwo breit zu machen. ‘nen Versuch wäre es ja wert, aber da hätten wir wohl nicht so viel Zuspruch von unseren Leuten, oder? (Kopfschütteln)

Andrea: Da hat doch keiner Bock, es will doch keiner den Stress machen.

Könnt ihr vielleicht noch etwas von positiven Reaktionen berichten?

Matthias: Positiv finde ich die PDS-Fraktion hier in Guben, weil sie versucht, uns zu unterstützen. Dieser Raum hier würde uns im Monat 200 DM kosten, aber wir kriegen von der PDS 100 DM. Sie haben eine eigene Zeitung, den Linken Stadtanzeiger, da haben wir immer die Möglichkeit, Artikel auf einer ganzen Seite zu bekommen, sodass wir da zeigen können, dass es uns noch gibt. Wenn irgendwelche Veranstaltungen sind, wie mit dem Gedenkstein beispielsweise, sind sie auch immer da und zeigen Präsenz.

Thomas: Im Großen und Ganzen muss ich sagen, dass die Stadtverwaltung überhaupt nicht dahinter steht. Jedenfalls hab ich das Gefühl. Bei diesen ganzen Gesprächsrunden gegen Rechtsradikalismus sieht man’s zum Beispiel: Wenn die Leute von der SPD einfach so weggehen, weil sie sich sagen, es bringt doch eh nichts, oder wenn die ganze Zeit bloß erzählen, wir müssen mal was machen. Wie der Ingo L., der Sozialarbeiter; der erzählt immer und erzählt, wir müssen was unternehmen, aber wenn es dann mal darum geht, was wir machen, dann kann er sich ja nicht so einmischen, er darf sich ja nicht auf die rechte oder linke Seite begeben, weil ansonsten … Was weiß ich.

Daniel: Von den Projekten der akzeptierenden Sozialarbeit ist er aber auch weggekommen. In der Richtung macht er nicht mehr so viel. Er hat auch schon erkannt, dass der Rechtsextremismus hier in Guben eine große Gefahr ist, und nicht so wie alle anderen, die sagen, der Linksextremismus, das ist Blödsinn.

Matthias: Der Hammer war aber, dass Ingo L. sich vor zwei Jahren bei Bärbel Schäfer ins Fernsehstudio gestellt hat. Es ging um das Thema „Links und Rechts«. Und er hat dann behauptet, er war in beiden Gruppierungen drin, er war mit einbezogen, und bei jeder Gruppierung geht es bloß um Prügeln, um Saufen und was weiß ich. Das war wirklich unter aller Sau, was er da erzählt hat. Politische Aspekte hat er überhaupt nicht beachtet. Man kann doch nicht von jedem, der sich zu irgendeiner Gruppierung hingezogen fühlt, behaupten, dass er da bloß Stress haben will, das ist ja vollkommener Blödsinn …

Möchte noch jemand was sagen?

Ali: Also ich find es echt cool, dass es so was mal gegeben hat, dass mal jemand unsere Meinung angehört hat oder anhören wird. Vielleicht ist das ein Anfang für irgendwas Großes, was später mal kommen wird, vielleicht, dass Guben mal rot wird.

 

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Aus dem Archiv: „Es sind eben die, die den Stress machen …“ – Teil 1 http://www.re-guben.de/?p=645 http://www.re-guben.de/?p=645#comments Sat, 24 Aug 2013 18:50:53 +0000 http://www.re-guben.de/?p=645 Das folgende Interview mit Skatern in der Obersprucke ist aus dem Jahr 2000. Wir haben es zuerst im Buch Nur ein Toter mehr… veröffentlicht. Die acht Jugendlichen, mit denen ich sprach, gehörten zu einer Gruppe Jugendlicher, welche die damals neue Skaterbahn zu ihrem Treffpunkt gemacht hatten. Sie zählten zu den wenigen, die in der Obersprucke eine öffentlich wahrnehmbare Gegenposition zu einer extrem rechts orientierten Jugendkultur einnahmen. Schon kurz nach der Einweihung der Skaterbahn im Herbst 1999 wurde die Gruppe angegriffen und unter Druck gesetzt. Das Interview spiegelt ihren Alltag in der Obersprucke 1999/2000 wieder und die alltägliche Auseinandersetzung um den öffentlichen Raum. Es dokumentiert auch unmittelbare Reaktionen auf den Tod Farid Guendouls: in der Schule, in den Familien, im sozialen Umfeld der Jugendlichen. Wahrscheinlich haben die meisten von ihnen Guben inzwischen längst verlassen. Mit Andrea habe ich in diesem Jahr ein Interview über ihre Erfahrungen in den folgenden Jahren geführt, das wir bereits veröffentlichten.

Erzählt doch zuerst mal was über die Skaterbahn. Seit wann gibt’s die?

Thomas: Seit Herbst letzten Jahres. Vorher war da ein Spielplatz mit Basketballplatz. Dann ist jemand auf die Idee gekommen, das alles zu betonieren und Klettergerüste drauf zu bauen. Im Oktober kam dann die Halfpipe dazu.

Konntet ihr euch aussuchen, wo sie hinkommt und was da hoch soll?

Matthias: Das wurde in der Stadt beschlossen und dann wurde das einfach gemacht. Da hat uns niemand gefragt, ob wir Wünsche haben.

Könnt ihr die Bahn das ganze Jahr nutzen? Was macht ihr denn im Winter?

Thomas: Es gibt immer ein paar, die auch im Winter da sind. Es ist allgemein ein Treffpunkt geworden. Die anderen, denen es zu kalt ist, gehen in die Fabrik. Aber im Sommer sind dann alle wieder oben.

Wie sieht es in Obersprucke mit Nazis aus? Habt ihr an der Skaterbahn Probleme mit denen?

Matthias: Die wollen uns provozieren, zeigen, dass sie dort präsent sind, und austesten, wie weit sie sich vorwagen können, ob sie da Stress machen können, eben die Lage checken und klarmachen, dass sie dort die Bosse sind. Letztens kam Marcel P. und hat einen von uns dumm angemacht – warum er rumlabert und so, dabei hatte der gar nichts gesagt. Er wollte gleich den Chef markieren.

Sind eher die Rechten präsent oder seid ihr das?

Martin: Oben in der Sprucke sind es die Rechten, würde ich sagen …

Ali: Nicht unbedingt präsent. Es sind eben die, die den Stress machen, die sich am Tag vielleicht nicht so zeigen, aber später dann rauskommen.

Daniel: Zum großen Teil sind die auch älter als wir. Die fahren dann schon teilweise Autos …

Was bedeutet es, wenn die Stress machen?

Thomas: Eine Zeit lang war’s so, dass sie einfach ganz provokativ zur Bahn kamen, sich mit ein paar Autos hingestellt haben und laut ihre Oi-Mucke gehört haben. Da hatten sie dann ihre freie Zone, weil eben alle abgehauen sind, wenn da fünf Autos standen und solche Schränke drin waren … Dann haben die dort ihr Bier gesoffen, Oi gehört und sind da oben rumgefahren. Sie kommen auch immer mal an und wollen uns ein „Gespräch“ aufdrängeln, so wie Marcel P. eben …

Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, gab es letztes Jahr aber auch körperliche Angriffe?

Matthias: Ja, das war am Monument. Da hatte ein Bistro eröffnet, das die Nazis als Treffpunkt für sich ausgemacht hatten. Dort waren dann immer eine Menge Leute drin. Wenn du da langgegangen bist, nachts, am Wochenende, standen so ein paar Typen draußen. Und wenn die gesehen haben, sie sind mehr und stärker, sind sie gekommen. Und da ist es auch passiert, dass Leute aufs Maul gekriegt haben.

Ali: Was mir noch einfällt, ist – und das kann keiner von uns leugnen –, dass der Zusammenhalt bei uns oben fehlt. Der ist nicht gerade der beste, meiner Meinung nach – da könnte man noch ein bisschen dran arbeiten. Das ganze Auftreten der Rechtsgerichteten ist aggressiver und so ist der Zusammenhalt bei denen natürlich auch deutlich größer als bei uns. Die unternehmen mehr zusammen, selbst wenn sie sich meinetwegen nicht so leiden können. Trotzdem sind sie ja „Kameraden“. Bei uns ist es ein bisschen gespalten.

Andrea: Gespalten ist gut. Wenn Nazis angekommen sind, sind alle weggerannt. Das letzte Mal sind drei von denen gekommen. Die kannte man so vom Sehen. Da konntest du zuschauen, wie alle gerannt sind. Von daher kannst du nicht von Zusammenhalt sprechen.

Matthias: Das liegt aber auch daran, dass unsere Leute oben größtenteils eingeschüchtert sind – aufgrund von körperlichen Übergriffen, Beleidigungen und so weiter. Da müsste man vielleicht ein bisschen arbeiten.

Thomas: Es ist ein Problem, dass die noch nicht so den Mut gefasst haben. Ich weiß nicht, körperliche Übergriffe und so … Die haben einfach keinen Bock auf Stress, die wollen mit ihren Skateboards durch die Gegend fahren und labern so ‘nen Scheiß wie: „Wenn so ein Scheiß-Fascho kommt, dann hauen wir ihm das Skateboard auf den Kopf.“ Aber wenn sie dann kommen, fahren sie eben lieber schnell weg … Ein super Beispiel: Da gab es das Gerücht, dass ein Haufen Faschos kommen soll. Erstmal war ein Großteil der Leute gar nicht da, die haben sich alle nach Bresinchen an den See verpisst. Und der Rest, der da war, rannte weg, als dann drei Mann kamen, obwohl wir mehr waren. Danach kamen alle wieder: „Ach, hier war ja doch nichts.“ Und dann haben da Kinder Panik gemacht, „Ja, da kommen sie!“, und da sind wieder alle weggerannt.

Robert: Und dann waren es ein paar Kleine mit ihrem Vater.

Ali: Das ist dann lustig auf die eine Art, aber traurig auf die andere.

Habt ihr Angst, wenn ihr nachts in Obersprucke unterwegs seid?

Andrea: Auf jeden Fall.

Daniel: Ich fahr da abends nicht so gern alleine nach Hause, ich geh dann am liebsten zu zweit oder so. Ansonsten mach ich, dass ich da schnell irgendwie durchkomme.

Thomas: Ich nehme immer lieber ein Fahrrad. Damit bist du schneller und kannst dort langfahren, wo die mit dem Auto nicht hinterherkommen …

Matthias: Na ja, aber nicht immer.

Thomas: Aber meistens. Zu Fuß würde ich da oben auch nicht unbedingt alleine langlaufen.

Robert: Als es noch ein bisschen schlimmer war und einige Leute von denen noch nicht eingeknastet waren, da hatte ich auch ein bisschen mehr Angst. Vor zwei Jahren hatten sie mich schon mal wegen Aufnähern und so angemacht. Zehn oder 15 Leute waren das. Ein paar Bedenken hat man natürlich immer, wenn man so durch die Nacht läuft. Das ist auch so, wenn ich alleine in der Stadt bin. Ich denke immer, es könnte ja etwas passieren … Zurzeit ist es da oben ein bisschen ruhiger geworden, meiner Meinung nach.

Matthias: Ich würde sagen, das ist die Ruhe vor dem Sturm, da wird irgendwann bald etwas passieren.

Ali: Ja, das ist schon richtig, bestimmt. Aber ich glaube auch, dass ältere Leute, wie Yogi zum Beispiel, was „Besseres“ zu tun haben, als jetzt da hoch zu kommen. Es sei denn, irgendwelche besonderen Leute von außerhalb kommen. Da sind sie eher dabei. Aber ich glaub nicht, dass sie von uns so fasziniert sind, dass sie jedem von uns auf die Fresse hauen wollen. Da wissen sie schon selber, dass sie bisschen mehr auf Tasche haben.

Ist die Situation in Obersprucke eine andere als in der Altstadt?

Robert: Ich würde schon meinen. Bei den Rechten gibt es ja auch immer noch das Klischee, in der Altstadt sind die Punks, da kriegst du von denen ein paar aufs Maul. Vor allem die jüngeren Faschos haben noch dieses Klischee, unten nazifreie Zone, und oben können sie machen, was sie wollen. Oben wohnen auch mehr von den bekannten Nazis.

Du hast vorhin gesagt, dass sich Marcel P. an der Skaterbahn einmal besonders hervorgetan hat. Er ist ja angeklagt, an der Jagd auf Farid Guendoul beteiligt gewesen zu sein. Habt ihr das Gefühl, dass er und die anderen Angeklagten in die Strukturen fest eingebunden sind und sich auch an Übergriffen und Ähnlichem beteiligen?

Matthias: Also, Marcel P. war an dem Freitag mit ein paar anderen da, die sahen eher aus wie Stinos.

Clemens: Ich war mal im Penne-Club, in der Disco des Gymnasiums. Marcel P. und Steffen H. waren auch da. Als wir losgehen wollten, haben sie mich halt gejagt. Ich hatte Glück, dass ich mit dem Auto dort war und ins Auto rein konnte. Ich weiß nicht, was sonst gewesen wäre, ich denke, die waren ganz schön fies drauf. Aus eigener Erfahrung würde ich sagen, dass die noch ‘ne Menge miteinander zu tun haben. Zum Beispiel sind sie oft hinten an der kleinen Pipe beim Kaufland: Marcel P., Steffen H., Alexander B. Leute wie Yogi haben mit Steffen H. nicht mehr viel zu tun, es sei denn, es geht ums Tätowieren. Zusammenhalt ist auf jeden Fall da.

Hattet ihr das Gefühl, dass es nach dem Tod von Farid Guendoul erst einmal ruhiger war, dass sie zurückhaltender waren, oder ist eher das Gegenteil eingetreten?

Clemens: Eher das … Dadurch, dass ihnen nicht richtig was passiert, denken sie doch, jetzt erst recht. Wenn sich das alles so nach hinten aufschiebt, können die doch machen, was sie wollen. Wieso trauen sie sich denn in die Disco,wenn sie doch eigentlich wissen müssten, dass dort viele Leute sind, die nicht ihrer Meinung sind? Da riskiert niemand, das Maul aufzumachen. Wenn dorthin jemand mit bunten Haaren kommt, der so aussieht, als ob er was gegen sie haben könnte, gehen einfach drei Leute auf ihn drauf. Die machen sich da gar keine Birne. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass sich niemand traut, eine Anzeige zu erstatten. Bei mir war es jedenfalls so. Das ist dann ein zu geringer Tatbestand, wenn die mich bloß gejagt haben, und es ist ja nichts weiter passiert. Wäre ich stehen geblieben und hätte mich zusammenschlagen lassen, dann hätte ich meine Anzeige machen können, aber so passiert eben nicht viel. Und Nazis, die sowieso noch nicht so viel mit der Polizei zu tun hatten, bei denen noch nichts gewesen ist, die wissen doch, ein, zwei Dinger können sie sich leisten.

Thomas: Also ich hatte eher das Gefühl, dass es eine kurze Zeit etwas ruhiger geworden ist, aber nur geringfügig …

Matthias: Ja, weil sie dachten, jetzt bekommen sie hier richtig Ärger von links. Dann ging ja auch das Gerücht um, hier würden Türken und Vietnamesen aus Berlin auftauchen und alle abschlachten. Da haben die schon Schiss gehabt. Ich denke mal, inzwischen haben die aber gemerkt, dass die Grundstimmung in der Bevölkerung zum Beispiel gegen den Stein ist, dass die Leute nichts mehr davon hören wollen, dass die ihre Ruhe haben wollen. Da stoßen die Nazis auf gesellschaftliche Akzeptanz und kommen wieder verstärkt aus den Löchern rausgekrochen. Dass die wieder andere jagen, anmachen und so, würde ich schon für ein Zeichen halten.

Ali: Aber das ist der Punkt. Wir alle hier wissen, dass es so ist. Man müsste sich mal in einer Gruppe zusammensetzen und zusammenhalten … Das soll nicht heißen, dass ich für Gewalt bin, aber ich hab es wirklich zu oft probiert, mit denen zu reden. Ich muss ehrlich sagen, die Leute verstehen dich einfach nicht. Wenn du mit denen reden willst, dann heißt es gleich: „Halt deine Fresse oder wir hauen dir eins auf die Schnauze!“ So einfach ist das. Es sei denn, du bist in der Mehrzahl, dann sind sie ruhig und hören sich dein Gequatsche an und danach lachen sie drüber.

Daniel: Aber mal angenommen, jetzt ist irgendwas. Du bist mit fünf anderen da und zwei Nazis machen dich blöd an. Wenn du anfängst, die zu schlagen, dann kannst du drauf warten, dass die dir dann mal mit ihren Freunden auflauern. Und die haben Freunde und die sind dann auch so, dass du sagen musst: „Na ja, was mach ich denn jetzt?“ Da überlegt man bei so kleinen Kinderfaschos: „Die kannste doch nicht anlabern. Die rennen ja dann sofort zu ihren großen Brüdern und sagen, schnappt euch mal den und den.“

Andrea: Da waren zum Beispiel einige Sachen, von denen wir wussten, dass Jan H. dabei war, auch die Sache mit dem jüdischen Friedhof. Dann meinten zwei: „Komm, wir gehen mal bei dem vorbei.“ Jan H. stand draußen und da haben sie ihn ein bisschen geärgert … Na ja, und daraufhin kamen dann die Racheaktionen.

Was waren die Racheaktionen?

Andrea: Die Faschos sind fast täglich an die Pipe gekommen und haben geschaut, wer alles da war. Einmal haben sie mit einer Kamera gefilmt. Solche Sachen …

Robert: Ein großer Teil von den etwas Älteren ist auch bewaffnet. Pistolen sind da gang und gäbe und auch andere Waffen wie Schlagringe, Messer, Totschläger. Das gibt einem ja auch ein bisschen zu denken. Deswegen würde ich persönlich mich auch nicht mit irgendeinem von den Älteren einlassen.

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Fragen an Martin Neumann (FDP) http://www.re-guben.de/?p=531 http://www.re-guben.de/?p=531#comments Wed, 07 Aug 2013 11:53:24 +0000 http://www.re-guben.de/?p=531

Prof. Dr.-Ing. Martin Neumann (MdB) kandidiert für die Freie Demokratische Partei (FDP) zur Bundestagswahl. Er ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und dort für seine Fraktion Sprecher für Forschungspolitik. In unserer Umfrage zur Bundestagswahl hat er uns Auskunft gegeben.

RE:GUBEN: Wie und mit welchen Schwerpunkten sind aus Ihrer Sicht Cottbus und Spree-Neiße mit organisierten Neonazis, ausländerfeindlichen Einstellungen sowie Ablehnung demokratischer Institutionen und Ideen konfrontiert?

Martin Neumann: Neonazistische Gruppierungen, ausländerfeindliche Einstellungen und Versuche unter Nutzung legaler Mittel und Methoden der politischen Willensbekundungen nazistisches Gedankengut zu verbreiten gibt es im ganzen Bundesgebiet. Diese Phänomene sind auch in der Lausitz nicht zu übersehen. Auffällig ist, dass insbesondere dort, wo es eine erhöhte Arbeitslosigkeit gibt, soziale Spannungen auftreten und Menschen kaum Chancen sehen, durch reguläre Arbeit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, ein günstiger Nährboden für populistische und ausländerfeindliche Parolen und Einstellungen besteht.

Worin sehen Sie Ursachen der genannten Phänomene? Wie können demokratische Akteure mit ihnen umgehen?

Nachdem der Euphorie der Wiedervereinigung Deutschlands der Alltag folgte und die Erkenntnis wuchs, dass Arbeit und Wohlstand nicht vom Staat verordnet und politisch erzwungen werden können und die versprochenen blühenden Landschaften kein Geschenk des Himmels sein werden, mussten neue Orientierungen, Erfahrungen und politische Überzeugungen gefunden werden. Dieser Prozess wurde begleitet durch eine prekäre wirtschaftliche Lage ganzer Regionen, mangelnde Arbeitsplätze, Unterbrechungen in persönlichen Bildungswegen und Karriereabbrüchen. Ein oft schmerzhafter Prozess, der Spuren hinterlässt und insbesondere Jugendliche aus betroffenen Familien empfänglich macht für Gruppierungen und Organisationen die scheinbaren Halt bieten und angeblich „Schuldige“ am Dilemma schnell ausmachen. Noch dazu schaffen es viele der rechtsextremen Gesinnungsverbände, mit populistischen Forderungen (Kinderschutz, Umweltschutz) Stimmen für sich zu gewinnen.

Die Koalitionsregierung hat dem in den letzten Jahren u.a. durch wirtschaftliches Wachstum, verringerter Arbeitslosigkeit, einem deutlichen Plus für Wissenschaft und Bildung, Schaffung von einem Mehr an Chancengleichheit und Verbesserungen in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein sehr erfolgreiches Mittel entgegengesetzt.

Wenn Sie in der Bundestagswahl 2013 gewählt werden, welche Ideen in Bezug auf eine Auseinandersetzung mit Neonazis, Ausländer- und Demokratiefeindlichkeit wollen Sie umsetzen?

Die Grundlage der Auseinandersetzung muss Wissen sein. Wissen um die Geschichte Deutschlands, Wissen um die wahre Gesinnung und die Zusammenhänge an den extremistischen Rändern der Gesellschaft. Als Kuratoriumsmitglied der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) setze ich mich bereits heute für eine breite politische Bildung, vor allem bei Jugendlichen ein. Ich lade regelmäßig Jugendliche (aber auch Erwachsene) in den Bundestag ein, um die Errungenschaften der Demokratie und des Rechtsstaats zu erklären, und die Europäische Ebene unserer Politik zu beleuchten.

In Cottbus gibt es Organisationen und Initiativen (z.B. Cottbus bekennt Farbe, Cottbus nazifrei), deren demokratische Maßnahmen und Demonstrationen ich unterstütze. Auch als Vorstandsmitglied der Karl-Hamann-Stiftung sorge ich für einen demokratischen Austausch von Wissen und Erfahrungen. Je präsenter demokratische Kräfte im Alltag sind, desto weniger Platz bleibt für Extremisten.

Wie kann Ihres Erachtens in Guben die öffentliche Erinnerung an Farid Guendoul und seinen Tod gestaltet werden? Worin sehen Sie Notwendigkeiten, Potenziale oder Schwierigkeiten einer solchen Erinnerung?

Die „Hetzjagd von Guben“ war ein Fall, der nicht nur hier in der Lausitz viel Aufmerksamkeit und Bestürzung auf sich gezogen hat. Dieser Vorfall zeigt beispielhaft, wohin Menschenverachtung und Fremdenfeindlichkeit selbst vor unserer Haustür führen können. Er sollte Mahnung und Verpflichtung dafür sein, nicht wegzuschauen und unduldsam zu werden gegenüber allen Versuchen nazistisches Gedankengut und Ausländerhass zu verbreiten, damit diese Tragödie sich niemals und nirgends wiederholen kann.

Thema: 4 Fragen zur Wahl →
weitere Bundestagskandidaten:
Birgit Wöllert (Die Linke) →
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Ulrich Freese (SPD) →
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Fragen an Birgit Wöllert (Die Linke) http://www.re-guben.de/?p=538 http://www.re-guben.de/?p=538#comments Wed, 07 Aug 2013 11:52:51 +0000 http://www.re-guben.de/?p=538 Birgit Wöllert (MdL) tritt für Die Linke zur Bundestagswahl an. Sie ist seit 2004 Mitglied des brandenburgischen Landtages und dort Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie. Seit 1990 gehört Birgit Wöllert der Stadtverordnetenversammlung Spremberg und seit 1998 dem Kreistag Spree-Neiße an. In unserer Umfrage zur Bundestagswahl hat sie uns Auskunft gegeben.

RE:GUBEN: Wie und mit welchen Schwerpunkten sind aus Ihrer Sicht Cottbus und Spree-Neiße mit organisierten Neonazis, ausländerfeindlichen Einstellungen sowie Ablehnung demokratischer Institutionen und Ideen konfrontiert?

Birgit Wöllert: Wir sind in unserer Region auf vielfältige Art und Weise mit den von Ihnen angesprochenen Problemen konfrontiert.

Organisiert sind Neonazis hier über den NPD Kreisverband Lausitz, über die nun verbotenen Spreelichter, aber auch über Kameradschaften, im Rockerclub Gremium und angeblichen Fangemeinschaften (Inferno). Darüber hinaus suchen sie zunehmend nach Möglichkeiten auch in Vereinen Einfluss zu gewinnen.

Ausländerfeindliche Einstellungen sind viel subtiler. Sie sind oftmals schon spürbar, wenn man hinter „anders“ aussehenden Menschen erst mal grundsätzlich vorsichtiger ist, weil man von ihnen irgendetwas befürchtet oder auch, wenn Kriminalität immer zuerst mit Ausländern in Verbindung gebracht wird. Sie zeigt sich allerdings auch darin, dass es viele Menschen gibt, denen es schwer fällt auch andere Lebensweisen zu tolerieren.

Worin sehen Sie Ursachen der genannten Phänomene? Wie können demokratische Akteure mit ihnen umgehen?

Ursachen sind vielfältig. Teilweise ist Unkenntnis über andere Kulturen, teilweise ist es das Gefühl der eigenen Überlegenheit und wieder andere glauben, ihnen gehe es nicht gut, weil zu viele Ausländer bei uns lebten.

Wenn Sie in der Bundestagswahl 2013 gewählt werden, welche Ideen in Bezug auf eine Auseinandersetzung mit Neonazis, Ausländer- und Demokratiefeindlichkeit wollen Sie umsetzen?

Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Bundesprogramme gegen rechts dauerhaft gefördert und finanziert werden und dass die Extremismusklausel aus den Förderprogrammen wieder gestrichen wird.

Ich werde mich für eine Antifaschismusklausel im Grundgesetz und für ein Verbot der NPD einsetzen, auch wenn dadurch allein das Problem nicht gelöst wird.

Blockaden als ziviler Ungehorsam gegen Aufmärsche von Neonazis und Rassisten müssen straffrei möglich sein.

Wie kann Ihres Erachtens in Guben die öffentliche Erinnerung an Farid Guendoul und seinen Tod gestaltet werden? Worin sehen Sie Notwendigkeiten, Potenziale oder Schwierigkeiten einer solchen Erinnerung?

Der Gedenkstein in Guben sollte gepflegt werden, damit die Erinnerung an das Ereignis nicht verblasst. Es bleibt wichtig, immer wieder daran zu erinnern, dass es Auswüchse rassistischer Einstellungen sind, die Leben und Gesundheit von Menschen mit anderer Hautfarbe bedrohen.

 

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Fragen an Sascha Kahle (Piratenpartei) http://www.re-guben.de/?p=542 http://www.re-guben.de/?p=542#comments Wed, 07 Aug 2013 11:52:20 +0000 http://www.re-guben.de/?p=542 Sascha Kahle ist Direktkandidat der Piratenpartei im Wahlkreis 64. Er ist zweiter Vorsitzender des Regionalverbandes Südbrandenburg der Piraten und Sprecher des Bündnisses „Cottbus Nazifrei“. In unserer Umfrage zur Bundestagswahl hat er uns Auskunft gegeben.

RE:GUBEN: Wie und mit welchen Schwerpunkten sind aus Ihrer Sicht Cottbus und Spree-Neiße mit organisierten Neonazis, ausländerfeindlichen Einstellungen sowie Ablehnung demokratischer Institutionen und Ideen konfrontiert?

Sascha Kahle: Im Großraum Cottbus gibt es eine aktive Neonaziszene aus NPD und freien Kräften wie dem inzwischen verbotenen „Widerstand Südbrandenburg“. Hinzu kommen weitgehende Verflechtungen zwischen Neonazis, der Fanszene des FC Energie Cottbus (u.a. Inferno Cottbus), Kampfsportlern und Rockerbanden. Zudem erlebt man auch hier den sogenannten Alltagsrassismus inmitten der Gesellschaft. Was aber meiner Meinung nach kein regionales Problem, sondern ein gesamtdeutsches Phänomen darstellt.

Worin sehen Sie Ursachen der genannten Phänomene? Wie können demokratische Akteure mit ihnen umgehen?

Nachdem das Thema in der DDR totgeschwiegen wurde und offiziell nicht existent war, wurde die Problematik nach der Wiedervereinigung über viele Jahre extrem verharmlost. Ausländerfeindliche Übergriffe wurden oft nicht als politische Straftat mit rassistischem Hintergrund eingestuft. Stattdessen war zu oft von Einzelfällen die Rede. Regional wurde von öffentlicher Seite lange nicht klar erkannt oder nicht kommuniziert, dass es ein Problem mit Neonazis gibt. Ist halt schlecht für’s Image. Hier wurde auch lange Zeit versäumt Druck auf Institutionen wie den FC Energie Cottbus aufzubauen. Dieser hängt in seiner Arbeit gegen Rechts anderen Vereinen, wie z.B. Dynamo Dresden, weit hinterher, was völlig unakzeptabel ist. Rassistische bzw. ausländerfeindliche Tendenzen in der Bevölkerung werden leider von vielen Seiten befeuert. So zum Beispiel durch einen Bundesinnenminister der CDU, wenn dieser Flüchtlinge aus Südosteuropa als „Sozialschmarotzer“ darstellt.

In den letzten Jahren sehe ich allerdings einige Fortschritte. In Cottbus hat sich inzwischen zum Beispiel ein breiter zivilgesellschaftlicher Protest gegen den jährlich stattfindenden Aufmarsch „nationaler Kräfte“ am Tag der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg entwickelt. Dies gelang vor allem durch eine aktive Vernetzung verschiedenster demokratischer und antifaschistischer Akteure, auch über die Region hinaus. Grundlage dafür ist, dass sich alle Beteiligten auch der Problematik bewusst sind. Rassismus und Ausländerfeindlichkeit müssen auch als das benannt werden, was sie sind und dürfen nicht heruntergespielt werden. Zudem muss vor allem jungen Menschen eine Alternative aufgezeigt und vorgelebt werden.

Wenn Sie in der Bundestagswahl 2013 gewählt werden, welche Ideen in Bezug auf eine Auseinandersetzung mit Neonazis, Ausländer- und Demokratiefeindlichkeit wollen Sie umsetzen?

Zuallererst möchte ich die sogenannte „Demokratieklausel“ abschaffen, da diese die Arbeit vieler Institutionen gegen Rechts erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Zudem verzerrt die Extremismustheorie die Realität, was sich an absoluten Zahlen von als „extremistisch“ eingestufter Straftaten deutlich belegen lässt. Aussteiger-Programme und Initiativen gegen Rechts müssen wieder deutlich besser ausfinanziert werden.

In Gänze muss sich die Bundesrepublik endlich zu einem Einwanderungsland entwickeln. Dazu muss es eine offene und am Menschen orientierte Asylpolitik geben. Flüchtlinge dürfen nicht als Menschen zweiter Klasse behandelt, sondern sollen in den Alltag integriert werden. Jeder hier lebende Mensch sollte die gleichen Rechte auf Wohnung, Bildung, Arbeit, gesellschaftliche Teilhabe und politische Partizipation haben. So fordern wir Piraten in unserem Programm unter anderem das Wahlrecht für alle hier lebenden Menschen, unabhängig ihrer Nationalität. Solange wir von oberster Ebene Unterschiede zwischen Nationalitäten oder Herkunft machen, werden wir uns auch mit Ausländerfeindlichkeit und Rassismus konfrontiert sehen.

Ich bin darüber hinaus der Meinung, dass Rassismus als Straftatbestand gelten sollte.

Wie kann Ihres Erachtens in Guben die öffentliche Erinnerung an Farid Guendoul und seinen Tod gestaltet werden? Worin sehen Sie Notwendigkeiten, Potenziale oder Schwierigkeiten einer solchen Erinnerung?

Ich denke, dass die Erinnerung an den Fall Farid Guendouls lebendig bleiben muss. Dafür ist auch hier eine größtmögliche Vernetzung und Einbindung verschiedenster Akteure wie Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Schulen, Verwaltung und anderer Akteure und Multiplikatoren wichtig. Da der Fall in der Region sehr prominent ist, bietet sich auch eine Beteiligung von Akteuren über Guben hinaus an. Wichtig finde ich dabei, es nicht nur bei einem Gedenken und Mahnen zu belassen, sondern den Bürgern auch etwas positives, zukunftsgerichtetes anzubieten. Ich könnte mir unter anderem vorstellen, am Todestag einen Gedenkmahngang vorbei an den Orten des Geschehens durchzuführen, dort die Geschichte von Farid Guendoul in Erinnerung zu rufen. Sicher auch sehr interessant und geeignet für Schulklassen. Im Anschluss vielleicht ein großes internationales Fest in der Gubener Innenstadt. Ich denke, dass das ein guter Weg sein kann, um zu erinnern und zu mahnen, aber auch um Menschen zusammen zu bringen. Wichtig ist hierbei, wie schon gesagt, eine größtmögliche Vernetzung und Einbindung verschiedener Akteure.

 

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Fragen an Wolfgang Nešković (unabhängiger Kandidat) http://www.re-guben.de/?p=545 http://www.re-guben.de/?p=545#comments Wed, 07 Aug 2013 11:51:49 +0000 http://www.re-guben.de/?p=545 Wolfgang Nešković (MdB, Bundesrichter a.D.) tritt als unabhängiger Bundestagskandidat an. Seit 2005 war er parteiloser Abgeordneter für Die Linke im Deutschen Bundestag. 2009 gewann er das Direktmandat im Wahlkreis Cottbus/Spree-Neiße. Im Dezember 2012 verließ er die Linksfraktion im Bundestag und ist seitdem fraktionsloser Abgeordneter. In unserer Umfrage zur Bundestagswahl hat er uns Auskunft gegeben.

RE:GUBEN: Wie und mit welchen Schwerpunkten sind aus Ihrer Sicht Cottbus und Spree-Neiße mit organisierten Neonazis, ausländerfeindlichen Einstellungen sowie Ablehnung demokratischer Institutionen und Ideen konfrontiert?

Wolfgang Nešković: Alte und neue Nazis streuen auch in der Lausitz ihre Hassparolen und verbreiten Angst. In Brandenburg hat sich die Zahl gewaltbereiter Nazis in den letzten Jahren erhöht, auch die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten ist gestiegen. Dies zeigt, dass man im Kampf gegen rechte Gewalt und rechtes Gedankengut nicht nachlassen darf. Auch wenn die Medien nicht gerade darüber berichten, darf die Aufmerksamkeit der Zivilgesellschaft nicht nachlassen. Deshalb sind Bündnisse und Organisationen, die sich dauerhaft gegen rechts engagieren auch so wichtig.

Worin sehen Sie Ursachen der genannten Phänomene? Wie können demokratische Akteure mit ihnen umgehen?

Die Ursachen sind vielfältig und können sich in jedem Einzelfall unterscheiden. Generell gilt, dass es in einem sozial gerechten Staat den Menschen viel schwerer fällt, zum Rechtsextremisten oder Nazi zu werden. Damals wie heute sind es Ausgrenzung und Abstiegsängste, welche die Menschen den Nazis in die Arme treiben.

Wenn Sie in der Bundestagswahl 2013 gewählt werden, welche Ideen in Bezug auf eine Auseinandersetzung mit Neonazis, Ausländer- und Demokratiefeindlichkeit wollen Sie umsetzen?

Ich werde mich auch weiterhin für Verbot der NPD einsetzen. Auch wenn ich mir der Schwierigkeiten bewusst bin, ein Parteiverbot mit dem Europarecht in Einklang zu bringen, ist ein Verbot der NPD doch längst überfällig. Die Partei ist ohne Zweifel eine gegen das Grundgesetz und die Völkerverständigung agierende Organisation. Ein Verbot würde ihnen die Organisationsbasis entziehen. So könnten sie keinerlei staatliche Gelder mehr erhalten. Ich halte es für unerträglich, die Existenz der NPD weiterhin mit Steuergeldern zu sichern. Bei einem Verbot könnten sie auch nicht mehr öffentlich für ihre rassistischen Vorstellungen werben. Auch rechtsextreme Netzwerke würden so erheblich gestört. Ihnen wäre mit dem Verbot der Partei eine wichtige Ressourcenbasis entzogen. Ein Parteiverbot stellt jedoch nur einen notwendigen Schritt im Kampf gegen den Rechtsextremismus dar. Mir ist bewusst, dass mit einem Parteiverbot allein, rechtsextremes Gedankengut nicht verschwinden wird. Dafür braucht es mehr: Rechtsextremes Gedankengut darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben und muss konsequent bekämpft werden. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht alleine dem Staat zufällt. Sie betrifft jeden von uns an jedem Tag.

Wie kann Ihres Erachtens in Guben die öffentliche Erinnerung an Farid Guendoul und seinen Tod gestaltet werden? Worin sehen Sie Notwendigkeiten, Potenziale oder Schwierigkeiten einer solchen Erinnerung?

Es ist eine Schande, in welche Zurückhaltung und Umkehrung die Stadt Guben sich seinerzeit verhalten hat. Genauso ist es unerträglich, welches Dasein der auf Privatinitiative angelegte Gedenkstein fristet. Die Stadt wäre gut beraten und in der Pflicht, ein repräsentatives Mahnmal einzurichten, das nicht nur an den Tod von Guendoul erinnert, sondern gleichzeitig gegen jede Form von Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus mahnt.

 

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Fragen an Ulrich Freese (SPD) http://www.re-guben.de/?p=547 http://www.re-guben.de/?p=547#comments Wed, 07 Aug 2013 11:51:15 +0000 http://www.re-guben.de/?p=547 Ulrich Freese kandidiert für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Der stellvertretende Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie gehört seit 2008 dem Kreistag Spree-Neiße an. In unserer Umfrage zur Bundestagswahl hat er uns Auskunft gegeben.

RE:GUBEN: Wie und mit welchen Schwerpunkten sind aus Ihrer Sicht Cottbus und Spree-Neiße mit organisierten Neonazis, ausländerfeindlichen Einstellungen sowie Ablehnung demokratischer Institutionen und Ideen konfrontiert?

Worin sehen Sie Ursachen der genannten Phänomene? Wie können demokratische Akteure mit ihnen umgehen?

Wenn Sie in der Bundestagswahl 2013 gewählt werden, welche Ideen in Bezug auf eine Auseinandersetzung mit Neonazis, Ausländer- und Demokratiefeindlichkeit wollen Sie umsetzen?

Wie kann Ihres Erachtens in Guben die öffentliche Erinnerung an Farid Guendoul und seinen Tod gestaltet werden? Worin sehen Sie Notwendigkeiten, Potenziale oder Schwierigkeiten einer solchen Erinnerung?

Ulrich Freese: Die Ursachen, die zu Rechtsradikalismus führen, sind vielfältig. Entgegen mancher Einschätzung ist es nicht so, dass ausschließlich ökonomische oder soziale Aspekte die alleinige Ursache für dieses abscheuliche Phänomen sind. Oftmals ist Wegschauen und Tolerieren auf allen Ebenen maßgeblich mitverantwortlich für die Ausbreitung dieses Unwesens.

Für die Bekämpfung und Heilung dieses Geschwürs Rechtsradikalismus ist daher ein Bekenntnis zur „Diagnose“ erforderlich. Selbstverständlich bin ich dafür und auch bereit zu unterstützen, dass ein Gedenkstein o.ä. für Farid Guendoul als Mahnung und Erinnerung aufgestellt wird. Dies als Mahnung für alle: „schaut hin“ und „guckt nicht weg“! Wehret den Anfängen!

Gleichzeitig möchte ich betonen, dass ich seit Jahren den Umtrieben des Rechtsradikalismus vehement entgegen trete und mich auch nicht scheue, ggf. Strafanzeige zu stellen, wenn die Situation dies erfordert. So habe ich u.a. auch an der Lichterkette in Guben zum Gedenken an Farid Guendoul teilgenommen und mich heftigst mit dem damaligen Bürgermeister aus Spremberg Egon Wochatz über dessen Äußerung („…was hat der auch nachts auf der Straße zu suchen“) auseinandergesetzt.

Seit Jahren engagiere ich mich bundesweit gegen Rechtsradikalismus und werde dies auch weiterhin tun.

 

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Fragen an Wolfgang Renner (Bündnis 90/Die Grünen) http://www.re-guben.de/?p=549 http://www.re-guben.de/?p=549#comments Wed, 07 Aug 2013 11:40:51 +0000 http://www.re-guben.de/?p=549 Wolfgang Renner tritt für Bündnis 90/Die Grünen als Direktkandidat an. Der Leiter des Naturparks Schlaubetal ist unter anderem Mitbegründer des Aktionsbündnisses „klare Spree“. In unserer Umfrage zur Bundestagswahl hat er uns Auskunft gegeben.

Wie und mit welchen Schwerpunkten sind aus Ihrer Sicht Cottbus und Spree-Neiße mit organisierten Neonazis, ausländerfeindlichen Einstellungen sowie Ablehnung demokratischer Institutionen und Ideen konfrontiert?

Organisation und Strukturen der rechten Szene sind beispielsweise in Guben in den letzten Jahren geschrumpft oder sind weniger aktiv. Problematisch ist aber sicherlich die stillschweigende Duldung und Verbreitung latent rechter Gesinnung, die besonders bei „bildungsfernen“ und perspektivlosen jungen Menschen leicht auf fruchtbaren Boden trifft.

Ein Hauptproblem in der Region ist das Umfeld von Sportvereinen vom Kampfsportclub bis zu Energie Cottbus. Hier ist ein schnelleres Einschreiten der Verantwortlichen zwingend nötig!

Mit Demonstrationen und Engagement wie z.B. dem Setzen von Gedenksteinen können Bürger Zeichen setzen. Wichtiger ist jedoch, dass bereits die Politik auf kommunaler Ebene mit gutem Beispiel vorangeht und direkt und deutlich gegen Neonazis aktiv ist.

Worin sehen Sie Ursachen der genannten Phänomene? Wie können demokratische Akteure mit ihnen umgehen?

Rechtsextremismus ist menschenfeindlich. Er ist eine Gefahr für die Demokratie und für Freiheit und Sicherheit von Menschen. Die Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit insgesamt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe aller DemokratInnen. Rechtsextreme sind vielerorts bereits tief verankert und teilweise in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Rechtsterroristische Gruppen wie der NSU haben durch ihr Auftreten „Angst-Räume“ geschaffen, in denen Menschen sehr real Einschüchterung und Bedrohung erfahren. Daher brauchen wir zum Beispiel eine starke und dauerhafte Förderung von zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen Rechts: Wir wollen ein Bundesprogramm von mindestens 50 Millionen Euro jährlich für zivilgesellschaftliche Initiativen, mobile Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus und spezifische Opferberatungsstellen und deren dauerhafte Förderung, denn es darf nicht sein, dass diese Projekte jährlich um ihre Existenz kämpfen müssen. Meiner Meinung nach brauchen wir außerdem mehr zivilgesellschaftliche Aussteigerprogramme.

Wenn Sie in der Bundestagswahl 2013 gewählt werden, welche Ideen in Bezug auf eine Auseinandersetzung mit Neonazis, Ausländer- und Demokratiefeindlichkeit wollen Sie umsetzen?

Wir müssen dem Kampf gegen Rechtsextremismus absolute Prioritäten einräumen. Ich kann und werde nicht akzeptieren, dass Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Religion, Sexualität oder ihres Geschlechts diskriminiert werden. Deutschland braucht eine Integrationspolitik, die die Vielfalt von Lebensrealitäten schätzt.

Als prioritäre Maßnahme wollen wir Grüne die unselige „Extremismusklausel“ von Ministerin Schröder unverzüglich abschaffen: Mit der Klausel werden ausgerechnet Demokratie-Initiativen, die tagtäglich gegen Rechtsextremismus ankämpfen unter Extremismusverdacht gestellt, beim Zugang zu Bundesförderung diskriminiert und bürokratisch gegängelt. Wir dürfen Opfer rechter Gewalt nicht alleine lassen!

Des Weiteren fordern wir Grüne einen Neustart bei den Geheimdiensten: Unser umfassendes Reformpaket sieht vor, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form aufgelöst wird. Ein unabhängiges Institut soll stattdessen mit wissenschaftlichen Mitteln demokratie- und menschenfeindliche Bestrebungen analysieren.

Wie kann Ihres Erachtens in Guben die öffentliche Erinnerung an Farid Guendoul und seinen Tod gestaltet werden? Worin sehen Sie Notwendigkeiten, Potenziale oder Schwierigkeiten einer solchen Erinnerung?

Die Schwierigkeit besteht oft darin, überhaupt Kritik zu ertragen oder gar selbst zu äußern. Dies rührt offenbar aus dem Gespür um die vielfältigen strukturellen Probleme. Analog dazu schließen sich offenbar einige der damals geäußerten Meinung des Bürgermeisters Hübner an, der Vorfall Farid Guendoul würde ihre Stadt „stigmatisieren“ und „anprangern“, was alle Kritiker zu Nestbeschmutzern macht.

Wichtig ist daher, besonders die jüngste, heranwachsende Generation in Schule und Kindergarten darin einzubinden. Notwendig sind außerdem klares Bekenntnis und Haltung der Stadt und anderer kommunaler Akteure.

Die Erinnerung an Farid Guendoul sollte, um ihren Inhalt nicht aus den Augen zu verlieren, nicht ritualisiert werden, sondern lebendig und vielseitig sein.

 

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