Rassistische
Gewalt
vor Gericht
Gespräche
über den Fall
Guben

Rassistische Gewalt vor Gericht

Gespräche über den Fall Guben

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Das Verfahren vor dem Landgericht Cottbus

Beteiligte

Für das Verfahren gegen die elf Beschuldigten aus Guben war aufgrund der Schwere der Tat das Landgericht Cottbus zuständig. Die Große Strafkammer war mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt. Die Beschuldigten waren zum Tatzeitpunkt teils Jugendliche (unter 18 Jahre), teils Heranwachsende (18-20 Jahre) - entsprechend wurde nach Jugendstrafrecht verhandelt. Angesichts des jungen Alters und des Entwicklungsstandes der Beschuldigten stehen im Jugendstrafrecht erzieherische Aspekte und mehr als im allgemeinen Strafrecht der Gedanke der Resozialisierung im Vordergrund - was sich auch auf die Rechtsfolgen auswirkt. Im Laufe des Guben-Verfahrens wurde wegen dessen Umfangs den Beschuldigten jeweils ein zweiter Pflichtverteidiger beigeordnet, so dass die Angeklagtenseite mit bis zu 33 Personen besetzt war.

Die Anklage wurde durch die Staatsanwaltschaft Cottbus erhoben. Ihre Anklageschrift führte neben den Taten in der Nacht des 13. Februar 1999 eine Reihe von schweren Straftaten aus dem Herbst 1998 auf, die einem Teil der Beschuldigten zur Last gelegt wurden und die ebenfalls vor dem Landgericht verhandelt wurden. So war ein Angeklagter daran beteiligt, einen 14-jährigen Jugendlichen zu fesseln, mit einem Baseballschläger zu schlagen und zu foltern; vier der Angeklagten hatten zwei Jugendliche in ihre Gewalt gebracht, gedemütigt, getreten, geschlagen und brutal verletzt.

Der Bruder des toten Farid Guendoul sowie die beiden Geschädigten Khaled B. und Issaka K. traten in dem Verfahren als Nebenkläger auf. Sie wurden durch Rechtsanwältinnen und einen Rechtsanwalt vertreten. Ein Geschädigter beziehungsweise ein Hinterbliebener hat als Nebenkläger eigene Verfahrensrechte, zum Beispiel ein Beweisantrags- und ein Fragerecht, und die Möglichkeit, unabhängig von der Staatsanwaltschaft Rechtsmittel einzulegen. Eine Nebenklage gegen Jugendliche wäre damals nicht möglich gewesen; im verbundenen Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende wurde sie aber zugelassen, so sie sich nicht gegen die jugendlichen Beschuldigten richtete. Der BGH bestätigte später in der Revisisonsverhandlung diese Entscheidung.

Zudem traten in dem Verfahren Vertreterinnen der Jugendgerichtshilfe auf, die in einem Jugendverfahren die Aufgabe haben, die sozialpädagogische Perspektive einzubringen.

Eindrücke des Verfahrens

Den nachhaltigsten Eindruck in der Öffentlichkeit hat das Gerichtsverfahrens wohl mit der Dauer von 17 Monaten hinterlassen. Die prominenteste Kritik am Verfahrensverlauf kam von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der Ende Februar 2000 von einem "Skandal" sprach: "Das Gericht scheint nicht in der Lage zu sein, mit den Angeklagten und ihren Anwälten umzugehen." Bedingt durch die Zahl der Beschuldigten hatte das Gericht eine Vielzahl von Anträgen der Verteidiger zu bearbeiten. Mehr als 40 Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden Richter oder das gesamte Gericht führten immer wieder zu Verzögerungen und Unterbrechungen. Bei den Beteiligten ist ein Antrag vom 18. November 1999 in besonderer Erinnerung geblieben. Der 27. Verhandlungstag wurde nach einer Stunde unterbrochen, weil zwei Verteidiger sich über die Größe ihrer Tische und schlechte Sichtverhältnisse beschwerten. In einer einwöchigen Prozesspause wurde für die in zweiter Reihe Sitzenden ein Podest eingebaut. Ein anderer Antrag stellte die Identität des Opfers in Frage. Beobachter hatten den Eindruck, dass eine Reihe von Anträgen einiger Verteidiger dem Verfahren und seinem Anlass nicht angemessen waren.

Nur ein Angeklagter hat im Verfahren versucht, sich bei seinem Opfer Khaled B. zu entschuldigen. Generell gaben sich die Angeklagten unbeeindruckt vom Verfahren, gelangweilt und teils amüsiert. Ein Verhandlungstag musste abgebrochen werden, da zwei Beschuldigte verschlafen hatten und nicht anwesend waren. Ein Angeklagter erschien im Gericht mit dem Aufnäher "Nationaler Widerstand" auf seiner Bomberjacke. Mehrere waren während der Dauer des Verfahrens an rechtsextremen Aktionen beteiligt. Zwei der Beschuldigten wurden im Februar 2000 von Zivilpolizisten in Guben bei einer Beschädigung am Gedenkstein für Farid Guendoul gestellt und in Gewahrsam genommen.

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