Christian
Nordhausen

Rechtsanwalt
Strafverteidiger

Christian Nordhausen

Rechtsanwalt, Strafverteidiger

← Zurück zu Teil 1

Aber das ist doch passiert. Das Urteil ist zum Beispiel sehr kritisiert worden. Oder die Stadt wollte im Zusammenhang mit dem Gedenkstein nicht von einer "rassistischen Tat" sprechen, so lange diese durch das Gerichtsverfahren nicht festgestellt sei.

Ja, aber doch nur, weil sich so viele dafür interessierten. Bezogen auf die Tat wäre zu sagen, dass "rassistische Tat" kein Straftatbestand ist. Bei einer fahrlässigen Tötung ist es egal, ob ich einen 3- oder einen 30-Jährigen, einen Ausländer oder einen Deutschen fahrlässig töte.

Aber die Frage wäre ja auch, ob ein Gericht nicht auch die Möglichkeit hat, in einer gesellschaftlichen Diskussion zu wirken.

Aber das ist ja gar nicht die Aufgabe des Gerichtes. Es gibt die Anklageschrift von der Staatsanwaltschaft, die hat es zu nehmen, um dann die Tat mit den Beweismitteln, die von der Staatsanwaltschaft benannt werden, also in der Regel mit Hilfe der Zeugen, so aufzuklären, dass es entweder freisprechen oder nicht freisprechen kann und verurteilen muss. Es ist ja in allen Bereichen so. Das ist auch bei Drogendelikten ganz genauso. Da interessiert die Frage, warum man anfängt, mit Heroin zu handeln, nicht, sondern nur, wann man mit wie viel gehandelt hat. Bei Jugendlichen ist das noch einmal etwas anderes. Aber bei Erwachsenen geht es nicht darum, warum einer seit drei Jahren mit Drogen handelt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ein Richter jemals einen Drogendealer gefragt hat, warum er nicht arbeiten geht. Das spielt keine Rolle.

Was hätten Sie sich denn für das Guben-Verfahren gewünscht?

Was soll man sich wünschen für ein Verfahren, das abgeschlossen ist? Man hat ja als Verteidiger den Wunsch, dass für den Mandanten das Beste rauskommt. Und das, was damals rausgekommen ist, also eine Freiheitsstrafe ausgesetzt zur Bewährung, war mit Sicherheit etwas, dass man, wenn man am Anfang gefragt worden wäre, sich gewünscht hätte. Ob es ein Freispruch geworden wäre, ob man darüber nachgedacht hat, das weiß ich jetzt nicht mehr.

Sind Sie auch in Revision gegangen?

Ich glaube, wir sind alle in Revision gegangen. Ich kann mich noch halbwegs daran erinnern, dass ich eine solche begründet hatte beziehungsweise im Rahmen des Revisionsverfahrens etwas geschrieben habe. Aber das alles hätten Sie besser 2001 fragen müssen. Denn wie gesagt, ich habe in der Zwischenzeit fünf oder sechs Mörder vertreten. Das waren Verfahren, die von der Bedeutung, ich will jetzt nicht sagen wichtiger oder weniger wichtig waren, aber da ging es eben um mehr. Da ging es um lebenslang. Und das stand ja in dem Guben-Verfahren nie im Raum, nicht einmal, wenn man da ein Geständnis gehabt hätte. Das waren also Verfahren, die von der Bedeutung sicher größer waren. Das Guben-Verfahren war jetzt weder nachteilig für meine Arbeit noch hat es mir große Vorteile gebracht, darin mitzuwirken. Das ist einfach wie zum Beispiel ein Drogenverfahren. Dann ist es abgeschlossen und man ist zufrieden oder auch nicht. Und dann kommt das nächste. Wenn Sie mich nach dem Mordverfahren fragen würden, könnte ich mich sicher besser erinnern. Auch weil ich Vorlesungen bei der AG Landgericht für die Referendare mache, und diese Fälle bieten sich immer als Ausbildungsfälle an. Die waren aufgrund der erhobenen Vorwürfe aber auch gravierender. Ich habe zum Beispiel mal einen Jäger vertreten, der hat seinen Freund erschossen, weil er dachte, das ist ein Wildschwein. Das war auch eine fahrlässige Tötung. Da könnte ich mich noch nicht einmal an das Ergebnis erinnern. Allerdings weiß ich noch, dass diese Verhandlung nicht länger als eine Stunde dauerte. Letztlich das gleiche Delikt. Tot ist tot. Fahrlässig. Das Guben-Verfahren war eben nur bedeutsamer, weil da so viele Angeklagte waren. Wenn da nur einer gesessen hätte und das Ganze nach drei Tagen erledigt gewesen wäre, wäre es das nicht gewesen.

Aber bereits im Vorfeld des Verfahrens, also seit der Tat, wurde sehr umfangreich darüber berichtet.

Ja, da war viel in der Zeitung, das weiß ich auch noch. Aber an Einzelheiten kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Auch nicht an die Zeugen. Ehrlich gesagt, könnte ich nicht einmal mehr sagen, warum wir 80 Tage da gesessen haben. Ich hatte jetzt ein anderes Verfahren mit 113 Tagen, da saß ich nur mit einem Kollegen. Wir haben auch Befangenheitsanträge gestellt. Da war allerdings der Mandant krank und konnte jedes Mal nicht länger als zwei Stunden teilnehmen. Aber was wir in dem Guben-Verfahren, vermutlich jeweils fünf oder sechs Stunden gemacht haben, ist mir im Nachhinein ein Rätsel. Es müssen ja vermutlich 50 oder 60 Zeugen gewesen sein. Aber so viele können es eigentlich gar nicht gewesen sein, denn die Tat war ja zur Nachtzeit. Es gab keine Aussagen von den Angeklagten. Ich glaube, Polizisten haben wir gehört, die da nachts rumgefahren sind. Die Anklageverlesung kann nicht länger als einen Tag gedauert haben. Plädoyers werden zwei Tage gedauert haben. So im Nachhinein ist es eine gute Frage, was wir da eigentlich gemacht haben. Bei einigen kamen noch andere Tatvorwürfe dazu. Das waren vielleicht noch einmal zehn Verhandlungstage. Also bei meinem Mandanten gab es zum Beispiel noch Kleinigkeiten, die jugendtypisch waren. Bei einer fahrlässigen Tötung wäre das schwer vorstellbar.