RE:GUBEN » RE:GUBEN http://www.re-guben.de fragt nach den Folgen des Todes Farid Guendouls, der am 13. Februar 1999 auf der Flucht vor einer Gruppe Neonazis in Guben starb. Was geschah in jener Nacht? Wie wurde mit der Tat umgegangen? Wie kann Gedenken gestaltet werden? Wie reagieren Politik und Gesellschaft? Fri, 02 May 2014 16:27:31 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.8 13. Februar 2014 http://www.re-guben.de/?p=760 http://www.re-guben.de/?p=760#comments Thu, 13 Feb 2014 17:33:27 +0000 http://www.re-guben.de/?p=760 Heute vor 15 Jahren starb Farid Guendoul. In Guben fand gestern ein Stilles Gedenken statt. Vertreter der Linkspartei, der Stadtverwaltung sowie der amtierende Bürgermeister und einige Bürger legten Kränze am Gedenkstein in der Hugo-Jentsch-Straße nieder. Eine Gruppe Gubener Neonazis marschierte derweil durch Dresden, zusammen mit mehreren hundert Gesinnungskameraden aus anderen Städten.

Mit dem 15. Todestag Farid Guendouls endet unser Projekt, in dem wir versucht haben, darüber zu reden, was 1999 und in den folgenden Jahren geschah, wie die Erinnerung an Guben gestaltet ist, welche Erfahrungen (ehemalige) Gubener in der Stadt gemacht haben. Nachzulesen sind nun zum Beispiel Dokumentationen zur Tatnacht und zum Gerichtsverfahren gegen die Täter. Hervorzuheben ist auch der Dokumentarfilm Das kurze Leben des Omar Ben Noui von Kristian Kähler. Wir haben in Interviews Blicke auf die Stadt zusammengetragen, die es ganz ähnlich auch auf viele andere Orte gibt. Wir haben unseren Blick aber auch über Guben hinaus auf das Gedenken an Todesopfer rechter Gewalt gerichtet. Den Abschluss bildet eine Ausstellung in der Galerie „Werkraum Bild und Sinn“.

Zum Ende des Projekts möchten wir allen danken, die mit uns in Interviews ihre Gedanken geteilt haben, die Beiträge verfasst oder uns bei der Arbeit an dieser Seite unterstützt haben. Wir danken auch denen, die dazu beigetragen haben, diese Webseite öffentlich bekannt zu machen, die uns ihre Meinung mitgeteilt und mit uns diskutiert haben. Ebenso danken wir der Amadeu Antonio Stiftung, der Sebastian Cobler Stiftung und der Rosa Luxemburg Stiftung, die dieses Projekt unterstützt haben.

]]>
http://www.re-guben.de/?feed=rss2&p=760 0
Warum Guben? http://www.re-guben.de/?p=446 http://www.re-guben.de/?p=446#comments Sat, 27 Apr 2013 18:38:52 +0000 http://www.re-guben.de/?p=446 Ich werde den Tag im März 1999 nicht vergessen, als die Tür zum in der Unordnung eines halben Dutzends eng zusammenstehender Schreibtische und im Chaos unbesiegbarer Papierberge und Zeitungsschnipsel dämmernden Büro der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration e.V. im Berliner Mehringhof sich öffnete und drei junge Leute eintraten. Sie gehörten sichtlich zu jenem Schlag Ostdeutscher, die in den Opferbilanzen der „Nachwendezeit“ gerne als „alternative Jugendliche“ bezeichnet werden. Die junge Frau hatte einen gigantischen Wust rotgefärbter Dreadlocks mit einem Band am Rande des Reißens auf den Rücken gebändigt, die beiden Männer sahen handfest und fast etwas ledrig aus.

Sie kamen aus Guben und baten um Unterstützung für ihre Bemühungen, den schrecklichen Tod von Farid Guendoul in Guben vor dem Zugriff beschwichtigender Verharmlosung, mitleidlosen Spotts und verächtlicher Verdrehung zu schützen. Die beiden Männer waren von der Antifa Guben, die Frau aus Cottbus dazu gestoßen. Sie standen in Guben schon kurz nach Farid Guendouls Tod mit dem Rücken zur Wand. Eigentlich schon seit der „Wende“. In vielen deutschen Städten und Gemeinden eine Wende zum Schlechten, wenn es um die auf dem Gubener Gedenkstein so gedankenlos zitierte „Würde des Menschen“ geht, die angeblich „unantastbar“ sei.

Daraus sind Freundschaften entstanden, die manche Auseinandersetzung und Phasen, in denen der Kontakt völlig zum Erliegen gekommen war, überdauert haben. Aus dieser ersten Begegnung entstand die Prozessbeobachtungsgruppe, wir organisierten Demos, Veranstaltungen und erste Gedenktage in Guben, wir besuchten Stadtverordnetenversammlungen, die wir wutschnaubend wegen der dort erlebten Ignoranz verließen, wir trafen uns zum Reden, zu Redaktionssitzungen, zum Feiern und zu nachtschlafenen Aktionen. Wir haben gemeinsam ein Buch veröffentlicht, eine Dokumentation zu den Geschehnissen an jenem 13. Februar 1999, zum 83-tägigen Nachgang vor Gericht, zur Bockbeinigkeit eines Gemeinwesens. Es kamen andere junge Leute aus Guben dazu, noch jüngere,  die sich beteiligen wollten, mit denen wir in Cottbus und in Guben, zum Beispiel im alternativen Treff „Sanikasten“, zusammensaßen oder als Demo-Block durch die Sprucke zogen. Wir haben zahlreiche Veranstaltungen zu Guben und Farid Guendouls Tod in ganz Deutschland gemacht. Wer ein paar Mal dabei war, war einer der „Gubener“ Flüchtlinge, den wir wieder aus den Augen verloren haben. Wir haben Lesereisen durch Ost- und Westdeutschland und die Schweiz gemacht, um das Buch „Nur ein Toter mehr“ zu präsentieren und unsere Wut herumzuzeigen.

Wir kannten Farid Guendoul nicht. Wir haben den Kontakt zu seiner Familie und zu seiner Freundin wieder verloren. Wir wissen, dass irgendwo in Algerien Menschen sich trauernd des Toten erinnern, der einst als Hoffnung der Familie und vom drohenden Wehrdienst genötigt nach Europa aufgebrochen war. Dass wir uns in den 1990er Jahren alle nicht kannten, nichts miteinander zu tun hatten, hat zu unser aller Isolation und Ohnmacht und dazu beigetragen, dass so vielen wie Farid Guendoul niemand rechtzeitig zu Hilfe kam. Aber wir kennen Guben. Und haben nicht vor, es zu vergessen oder die Erinnerung an die Nacht zum 13. Februar 1999 – bildlich gesprochen – abbaggern zu lassen, wie die Braunkohle ringsum.

 

Mehr zum Thema Warum Guben? →

]]>
http://www.re-guben.de/?feed=rss2&p=446 0
In eigener Sache: Web-Banner für RE:GUBEN http://www.re-guben.de/?p=436 http://www.re-guben.de/?p=436#comments Sat, 13 Apr 2013 14:29:39 +0000 http://www.re-guben.de/?p=436 Wer auf seiner Webseite einen Link zu RE:GUBEN setzen möchte, kann dafür nun auch unser Banner nutzen, das es in zwei Formaten gibt.

Banner RE:GUBEN

Banner RE:GUBEN

Banner RE:GUBEN (lang)

Banner RE:GUBEN (lang)

]]>
http://www.re-guben.de/?feed=rss2&p=436 0
Warum Guben? http://www.re-guben.de/?p=399 http://www.re-guben.de/?p=399#comments Sat, 06 Apr 2013 14:20:53 +0000 http://www.re-guben.de/?p=399 Der 13. Februar 1999
war ein kalter Wintertag. Ich stand morgens auf dem Hermannplatz in Berlin, als mich ein Freund aus Guben anrief und sagte: „Sie haben jemanden abgestochen.“ Ich wusste, wen er mit „sie“ meinte und auch zu welcher Gruppe „jemand“ gehörte. Und ich war nicht überrascht, dass es ausgerechnet in Guben passiert war. Als wir abends in der Stadt ankamen, war es unglaublich still. Vor dem Hauseingang Hugo-Jentsch-Straße lagen Blumen, die Scheibe war zerbrochen, dahinter lag dunkel der Treppenaufgang.

Elf Jugendliche, die eine Nacht lang durch die Straßen fahren, Menschen suchen und jagen, weil sie Ausländer sind. Die Parolen grölen, Passanten bedrohen, Fenster von „asiatischen“ Geschäften einschlagen, einen algerischen Asylbewerber schlagen, bis er ohnmächtig liegen bleibt. Eine Polizei, die nicht gegen die Täter vorgeht, Issaka K. aber stundenlang auf der Wache gefesselt sitzen lässt, weil es niemanden gäbe, „der afrikanisch spricht“. Eine Staatsanwaltschaft, die keine rassistische Motivation erkennen will. Eine Riege aus Verteidigern, die danach fragt, ob die drei Asylbewerber in dieser Nacht nicht deshalb rannten, weil sie Drogendealer gewesen wären. Angeklagte, die herumalbern, die schwatzen, die zu spät kommen, die den Gedenkstein schänden, Neonazidemonstrationen besuchen, von ihren Wochenenden erzählen. Mütter, die ihren Söhnen die Pausenbrote und die Zigaretten hinterhertragen. Ein Urteilspruch, der die Täter lachen und abklatschen lässt. Vor den Augen von Kahled B., Issaka K. und der Brüder Farid Guendouls. Eine Stadt, die sich als das eigentliche Opfer sieht. Und wo bereits wenige Tage nach der Tat viele nicht mehr an den toten Farid Guendoul erinnert werden wollen und in der man davon ausgeht, dass spätestens mit dem Urteil „Ruhe“ einkehrt und das Interesse der Medien verebbt.

Menschen, die sagen: „Wenn der so bekloppt ist und durch die Scheibe läuft“. Ein Forum gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit, das nicht von rechten Jugendlichen oder einer rassistischen Hetzjagd sprechen möchte. Ein Gedenktafel für Farid Guendoul, die bespuckt, zerstört, zerkratzt, gestohlen wird. Ein Bürgermeister in Spremberg, der öffentlich fragt, was die drei Asylbewerber nachts auf der Straße zu suchen hatten. Ein Bürgermeister in Guben, der von einer Verkettung unglücklicher Umstände spricht. Körperliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen gegen nicht-rechte Jugendliche, gegen Antifas, gegen nicht-deutsche Gubener/innen. Ein Haupttäter, der nach wie vor als gewalttätig gilt und innerhalb der rechten Szene Karriere macht.

Das geht so nicht. Das ist nicht richtig.

 

Mehr zum Thema Warum Guben? →

]]>
http://www.re-guben.de/?feed=rss2&p=399 0
Warum Guben? http://www.re-guben.de/?p=396 http://www.re-guben.de/?p=396#comments Sat, 06 Apr 2013 14:20:39 +0000 http://www.re-guben.de/?p=396 In keiner anderen Stadt habe ich mehr Lebensjahre verbracht als in Guben. Auch wenn ich zuversichtlich bin, dass sich dieser Fakt in den nächsten Jahren unwiderruflich ändern wird, so bleibe ich doch mit diesem Ort verbunden. Eine meiner präsentesten Erinnerungen ist eine Party in den ehemaligen Fabrikhallen der Gubener Wolle. Das war um die Jahrtausendwende. Ich wohnte schon nicht mehr in Guben und hatte wenige Tage davor zufällig davon erfahren. Zwei DJ-Größen aus Berlin sollten auflegen und ich war etwas irritiert, wie es passieren konnte, dass sie es ausgerechnet nach Guben schafften. Egal. Ich fuhr hin. Die großen Industrieanlagen an der Neiße standen seit mehr als zehn Jahren leer. Ich habe zum ersten Mal bewusst wahrgenommen, dass es möglich war, dass sich darin größere Menschenmengen aufhielten. Als hier noch produziert wurde, war ich ein Kind. Nachdem man das Eingangstor passiert hatte, stand man auf einem Innenhof. Der Boden uneben. Hier und da ein paar Sträucher und kleine Bäumchen, die in der Ruine zwischen dem Kopfsteinpflaster in den letzten Jahren gewachsen waren. Dazwischen brennende Mülltonnen und junge Menschen, die nicht so aussahen, als ob sie aus Guben kamen. Umgeben von riesigen Mauern türmten sich vierstöckige Backsteinfassaden in die Höhe. Aus einem der Gebäude blitzte farbiges Licht und ein dumpfer Bass verbreitete Spannung. Industrieromantik und Techno, wie man sie besser nicht haben konnte. In Berlin waren zu jenem Zeitpunkt alle spannenden Flächen längst wegsaniert. Ich wagte mich rein. Eine lange hohe Industriehalle, alte Lastenkräne über den Köpfen der tanzenden Menschen, in der Mitte irgendeine riesige Maschine mit großen Zahnrädern. Der ganze Raum war von einer Empore umgeben, die mich an das alte E-Werk in Berlin erinnerte. Die Musik wummerte und hunderte Menschen feierten. Ich bewegte mich nicht in dieser Nacht. War angespannt. Ich hatte das Gefühl, dass alle Menschen aus Guben im Alter zwischen 18 und 30 Jahren in dieser Nacht auf dem Gelände waren. Das hätte bedeutet, dass auch die Täter der Nacht vom 13. Februar 1999 da wären. Ich kannte ihre Gesichter, wusste wie ihre Stimmen klangen und hatte eine Ahnung davon, wie sie sich bewegten. Ich habe sie gesucht. Ohne zu wissen, was ich anstellen würde, wenn mir einer von ihnen gegenüber stände. Einfach zuschlagen? Vorher noch was sagen? Verfolgen und draußen zuschlagen? Ich habe niemanden von ihnen dort gesehen. Wahrscheinlich waren sie nicht da. Ich habe Guben wieder verlassen. Unzufrieden. Die Industriegebäude der Gubener Wolle sind heute abgerissen. Feiern gehe ich woanders.

 

Mehr zum Thema Warum Guben? →

]]>
http://www.re-guben.de/?feed=rss2&p=396 0
Warum Guben? http://www.re-guben.de/?p=391 http://www.re-guben.de/?p=391#comments Sat, 06 Apr 2013 14:20:15 +0000 http://www.re-guben.de/?p=391 Die Frage lässt sich nicht nur unterschiedlich beantworten, sondern schon auf verschiedene Weise stellen. Rhetorischer Art ist etwa die vorwurfsvolle, genervte Variante: „Warum denn schon wieder Guben!? Warum immer wieder die alten Geschichten und diese Nazis!?“ Die unerwünschte Antwort ist einfach: Weil die Frage so gestellt wird.

Als interessierte Frage nach einem Grund hat sie allerdings mehr Dimensionen. Was ist das Besondere? Woher rührt die Aufmerksamkeit? Wohin soll sie führen?

Farid Guendoul starb in Guben, weil…

Warum?

Eine Gruppe junger Männer sah ihn als Freiwild, als Recht- und Wertlosen, der sich ihrer Gewalt zu beugen hätte. Wir können kategorisch formulieren, dass dies nicht normal, also im negativen Sinn besonders sei.

Wir wissen aber auch um die Grenzen der Moral. Es ist geschehen. Nicht nur in Guben. Selbst die Verkettung der Ereignisse in der Nacht zum 13. Februar 1999 kann man nur als besonders verstehen, wenn man den ihr innewohnenden Antrieb außer Acht lässt. Die Tat war Teil einer faktischen Normalität.

Guben ist darin nicht allein. Diese unnormale Normalität, die alltägliche Mischung aus Nazis, Ausländerfeinden, Schlägern und Wegsehern, die Regression von Politik und Sozialität fand und findet man auch in anderen Städten – ebenso die Konsequenzen für die, die sich nicht damit abfinden wollen oder in eines der vielen Feindbilder passen.

Warum es für mich nun konkret um Guben und nicht um ein anderes Beispiel geht, hat einen simplen Grund – die Region gehörte und gehört zu meinem Alltag. Guben liegt vor der Haustür.

Für mich ist die Idee von RE:GUBEN, hinzusehen und zusammenzutragen, was war, was ist und was sein könnte. 2014 jährt sich die Tat das 15. Mal. Dieses Datum könnte vergehen wie gehabt. Die Mehrheit weiß nichts davon oder ignoriert es bewusst und eine Handvoll engagierter Gubener plus zivilgesellschaftspolitischer Akteure aus dem Land gedenken ritualisiert in kleinem Rahmen. Aktives Erinnern ist anders.

Was heißt das?

Der Mensch, der starb, und sein Leben sollen nicht vergessen sein. Die Erinnerung schließt aber auch die Täter und ihre Umwelt, die Tat und die Gesellschaft, in der sie sich ereignete, die Vor- und Nachgeschichten mit ein. Nicht als bloße Erzählung, sondern als Auseinandersetzung. Wie konnte es geschehen und könnte es wieder geschehen? Für diese Erinnerung zählen nicht die Rituale, sondern: Das alles geht uns an. Guben geht uns an. Die Verhältnisse in der Stadt gehen uns an. Damit es anders wird.

 

Mehr zum Thema Warum Guben? →

]]>
http://www.re-guben.de/?feed=rss2&p=391 0