13. Februar 2014

veröffentlicht von Redaktion

Heute vor 15 Jahren starb Farid Guendoul. In Guben fand gestern ein Stilles Gedenken statt. Vertreter der Linkspartei, der Stadtverwaltung sowie der amtierende Bürgermeister und einige Bürger legten Kränze am Gedenkstein in der Hugo-Jentsch-Straße nieder. Eine Gruppe Gubener Neonazis marschierte derweil durch Dresden, zusammen mit mehreren hundert Gesinnungskameraden aus anderen Städten.

Mit dem 15. Todestag Farid Guendouls endet unser Projekt, in dem wir versucht haben, darüber zu reden, was 1999 und in den folgenden Jahren geschah, wie die Erinnerung an Guben gestaltet ist, welche Erfahrungen (ehemalige) Gubener in der Stadt gemacht haben. Nachzulesen sind nun zum Beispiel Dokumentationen zur Tatnacht und zum Gerichtsverfahren gegen die Täter. Hervorzuheben ist auch der Dokumentarfilm Das kurze Leben des Omar Ben Noui von Kristian Kähler. Wir haben in Interviews Blicke auf die Stadt zusammengetragen, die es ganz ähnlich auch auf viele andere Orte gibt. Wir haben unseren Blick aber auch über Guben hinaus auf das Gedenken an Todesopfer rechter Gewalt gerichtet. Den Abschluss bildet eine Ausstellung in der Galerie „Werkraum Bild und Sinn“.

Zum Ende des Projekts möchten wir allen danken, die mit uns in Interviews ihre Gedanken geteilt haben, die Beiträge verfasst oder uns bei der Arbeit an dieser Seite unterstützt haben. Wir danken auch denen, die dazu beigetragen haben, diese Webseite öffentlich bekannt zu machen, die uns ihre Meinung mitgeteilt und mit uns diskutiert haben. Ebenso danken wir der Amadeu Antonio Stiftung, der Sebastian Cobler Stiftung und der Rosa Luxemburg Stiftung, die dieses Projekt unterstützt haben.

„Blühende Landschaften“ – Neonazi-Gewalt in Brandenburg 1989-1993

veröffentlicht von Redaktion

Wie war das – Anfang des 1990er Jahrzehnts in Ostdeutschland? Ein Staat brach zusammen und es taten sich für ein paar Monate unendliche Möglichkeiten auf. Die Reste des Staats wurden übernommen und es brach noch mehr zusammen: wirtschaftliche und soziale Strukturen, Existenzen. Deutschland wurde Fußballweltmeister und die D-Mark das gängige Zahlungsmittel. Und in all dem explodierte die Gewalt. Jeder Schlägertyp schor sich die Haare und kaufte sich eine grüne Bomberjacke. Das Deutschland auf ihren Aufnähern hatte die Grenzen von 1938. Westdeutsche Neonazis tingelten durchs Land und leisteten Aufbauarbeit. Ihre ostdeutschen Kameraden standen ihnen in nichts nach: „Deutschland, Deutschland!“ Politik, Polizei, Sozialarbeit und Medien versagten weitgehend. Vielmehr wurde die Einschränkung des Asylrechts Regierungsprogramm.

Als Orte, an denen Mobs aus Neonazis und „normalen“ Deutschen tagelang militant gegen Ausländer vorgingen, blieben Hoyerswerda 1991 und Rostock-Lichtenhagen 1992 in der Erinnerung haften. An ihnen wird heute die Situation Anfang der 1990er festgemacht. Aber was geschah abseits der Symbole? Wie war es in Guben? Dort schlossen sich Neonazis in der „Gubener Heimatfront“ zusammen, die bis zu 200 Leute mobilisieren konnte und berüchtigt für ihre Gewalttätigkeit war. Erinnert sich jemand an die Angriffe auf die sogenannten und nicht mehr benötigten „Vertragsarbeiter“? Und wie war das mit den Angriffen auf Asylbewerberheime in Cottbus, Lübbenau oder Schwarze Pumpe? Wer kann sich daran erinnern und wer will sich erinnern? Und was hat das alles mit heute zu tun?

Im Demokratischen JugendFORUM Brandenburg (DJB) – übrigens auch der Trägerverein von RE:GUBEN – hat sich eine Projektgruppe zusammengefunden, die solchen Fragen nachgeht. Mit umfangreichen Zeitungsrecherchen und Zeitzeugeninterviews hat sie begonnen, die Situation im Land Brandenburg zwischen 1989 und 1993 zu rekonstruieren. Eine Analyse und einen Teil der Dokumente macht der Verein nun in seinem Blog Blühende Landschaften online zugänglich. RE:GUBEN sprach darüber mit Daniela Guse und Susanne Lang vom DJB. Weiterlesen

Jurist/innen und Journalisten im Interview zum Fall Guben

veröffentlicht von Redaktion

Unsere Dokumentation Rassistische Gewalt vor Gericht – Gespräche über den Fall Guben behandelt das Gerichtsverfahren, in dem das Landgericht Cottbus vom 3. Juni 1999 bis zum 13. November 2000 gegen elf Jugendliche und Heranwachsende aus Guben verhandelte. Sie hatten am frühen Morgen des 13. Februar 1999 Farid Guendoul, Khaled B. und Issaka K. verfolgt und angegriffen. Beim Versuch zu fliehen erlitt Farid Guendoul eine Verletzung der Beinarterie und verblutete. Die Dokumentation umfasst Interviews mit vier Jurist/innen, die als Richter, Verteidiger oder Nebenklagevertreterinnen am Verfahren beteiligt waren, sowie mit zwei Journalisten, die es kontinuierlich beobachteten.

Das Gerichtsverfahren war seinerzeit der Ort, an dem die Tat im Detail rekonstruiert wurde. Minutiös wurden die Abläufe der Tatnacht, die individuellen Beteiligungen der Täter und ihre Verantwortlichkeit dargestellt. Diese Aufklärung wurde in der lokalen Gubener Öffentlichkeit jedoch kaum wahrgenommen. Das Verfahren ist insofern als ein Gegenpol zu lokalen Diskursen zu sehen, in denen die Täter von ihrer Verantwortung „freigesprochen“ werden. Man kann den „Fall Guben“ über den konkreten Prozess und die Urteile hinaus als Beispiel dafür verstehen, welche Möglichkeiten ein Gericht im Umgang mit rassistisch motivierten Taten hat und welche nicht, welche Wirkungen es erzielen kann, welche Erwartungen von außen herangetragen werden und welche Erwägungen die Wahrnehmung und das Handeln der Beteiligten prägen. Weiterlesen →

Warum jetzt?

veröffentlicht von Michael Bergmann

Den 15. Todestag von Farid Guendoul verstreichen zu lassen, ohne ein Statement abzugeben, hätte bedeutet, dass niemand in der Öffentlichkeit an ihn erinnert. Seine Familie in Algerien wird im kommenden Februar wahrscheinlich an ihn denken. Eine Handvoll Gubener_innen würde wie jedes Jahr am Gedenkstein ein paar Blumen niederlegen. Seine damalige Freundin, die seine Tochter geboren hat, wird ihn nicht vergessen haben. Die Lokalausgabe der Lausitzer Rundschau würde zwei oder drei Zeilen, vielleicht ein Bild abdrucken. Darüber hinaus gäbe es Schweigen. Weiterlesen

Warum jetzt?

veröffentlicht von Susan Hille

Die traurige Bilanz der vergangenen 23 Jahre: 27 Todesopfer in Folge rechter Gewalt allein in Brandenburg. Farid Guendoul war einer von ihnen. Sein Todestag jährt sich am 13. Februar 2014 zum fünfzehnten Mal. Viel Zeit ist also seit der sogenannten Hetzjagd von Guben vergangen. Viel Zeit, die zu Veränderungen hätte führen können. Im Kontext des Umgangs mit Opfern rechter Gewalt gilt: viel Zeit, in der sich hätte mehr verändern müssen. Aber damals wie heute lautet der Wunsch der Gubener Bevölkerung, „Gras über die Sache wachsen zu lassen“. Und damals wie heute ist dieser Wunsch moralisch hochgradig verwerflich. Weiterlesen

Warum jetzt?

veröffentlicht von Max Krumm

Am 13. Februar 2014 werden 15 Jahre seit dem gewaltsamen Tod Farid Guendouls vergangen sein. 15 Jahre, in denen man hätte vergessen können, was in jener Nacht geschah. Oder sogar 15 Jahre, in dessen Zuge man vergessen sollte, was in jener Nacht geschah. Dass diese Paraphrase so oder so ähnlich durchaus die Meinung eines gewissen Teils der Gubener Bevölkerung wiederspiegelt, verwundert leider nicht. Die Erfahrungen der Vergangenheit lassen eine solche Schlussfolgerung nahe liegen. Weiterlesen

Warum jetzt?

veröffentlicht von Daniel Krüger

Braucht Erinnerung einen bestimmten Zeitpunkt? Es scheint so, bedenkt man die öffentlichen Rituale an Gedenktagen. Die Auswahl so eines Tages ist Teil des Erinnerungsprozesses. Zu jedem Jahrestag oder – mit mehr zeitlichem Abstand zum Geschehen – in längeren Zyklen von 5 oder 10 oder 25 Jahren steht die Entscheidung: wir erinnern. Zugleich ordnet sie das Vergessen – die Vergangenheit ist nicht an jedem Tag des Jahres präsent; sie bestimmt nicht das Alltagsleben. Ein Gedenktag macht deutlich, dass das, woran erinnert wird, zurück in der Zeit liegt und abgeschlossen ist. Weiterlesen

„Die Nacht ist immer noch präsent“

veröffentlicht von Redaktion

Lukas A.* war seit Ende der 1980er Jahre in der Gubener Antifa aktiv.
Mittlerweile hat er die Stadt verlassen. Im Interview mit Friedrich Burschel spricht er über die Anfänge der Neonazi-Szene in Guben, den 13. Februar 1999 und das Gedenken an die Tat.

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* Name von der Redaktion geändert

Video: Die Diskussion um die Erinnerung

veröffentlicht von Redaktion

Der TV- und Videojournalist Ben Arnold war für die Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg in Guben unterwegs und hat Menschen auf der Straße nach ihren Eindrücken und Vorstellungen von der Stadt gefragt. Ein Thema waren auch die Ereignisse vom Februar 1999, die Erinnerung an Farid Guendoul und die Wahrnehmung von Rechtsextremismus. Daraus ein entstand ein kurzer Videoclip, der die verschiedenen Positionen in Guben wiedergibt und den wir hier zeigen können. Der Film entstand im Projekt “Mosaik – Märkische Orte für soziale, arbeitsmarktpolitische und interkulturelle Kompetenz” der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg.

#BTW13 in Guben: Zugewinne für NPD, aber nicht mehr Prozente

veröffentlicht von Redaktion

Die Stadt Guben stellt die (vorläufigen) Endergebnisse für Erst- und Zweitstimmen zur Bundestagswahl, aufgeschlüsselt nach Wahllokalen zur Verfügung, und so haben wir nachgesehen, wie die NPD abgeschnitten hat. Eine ausführliche Analyse der vergangenen Wahlen haben wir bereits veröffentlicht. Einige Thesen daraus bestätigen sich. Weiterlesen